Didi Thurau: "Ich habe Angst um meinen Sohn"

Nach dem Tod zweier junger Rad-Profis ist der ehemalige deutsche Rennfahrer schockiert, sagt aber auch: "Die Fahrer haben den Respekt verloren!"
AZ: Herr Thurau, der Radsport hat innerhalb von zwei Tagen zwei Todesfälle zu verkraften: Erst wurde Antoine Demoitié von einem Begleitmotorrad überrollt, dann erlag der erst 22-jährige Daan Myngheer einer Herzattacke, die er bei einem Rennen erlitten hat.
DIDI THURAU: Das sind fürchterliche Tage, der Radsport trägt Trauer. Ich bin tief erschüttert. Demoitié war ein Freund meines Sohnes Björn, die beiden fuhren ja im selben Team. Jetzt aufzuwachen und das Bett des Kameraden neben dir bleibt leer, das ist schwer zu verkraften. Wir haben danach gleich telefoniert. Ich habe versucht, Björn seelischen Beistand zu leisten, aber letztlich muss jeder für sich selber einen Weg finden, damit umzugehen. Ich fahre aber am Samstag zum Team und werde versuchen, für sie da zu sein. Björn wollte das so. Am Sonntag wird es eine Huldigung für Demoitié geben, da wird eine Schweigeminute eingelegt und später nehmen alle an der Beerdigung teil. Das werden ganz schwere Stunden für Björn. Er ist jetzt 26, da denkt man, dass man sein ganzes Leben vor sich hat und dann wird man bei dem Sport, den man liebt, mit dem Tod konfrontiert. Fürchterlich.
Demoitié kam zu Sturz und wurde vom nachfolgenden Motorrad überrollt.
Ich habe mir das vom Teamleiter sehr genau erklären lassen. Ein Fahrer ist gestürzt, vier weitere über ihn. Demoitié war ganz hinten und hinter ihm das Motorrad, das nicht mehr ausweichen konnte. Das wiegt 400 Kilo und fuhr direkt – ich will gar nicht im Detail drüber reden: Demoitié hatte keine Chance, er ist seinen Kopfverletzungen erlegen. Es war die Verkettung unglücklicher Umstände. Tausend Mal passiert bei so etwas nichts, jetzt ist die Tragödie geschehen.
Kann man solch ein Unglück in Zukunft verhindern?
Man muss im Finale einer Etappe die Anzahl der Motorräder verringern. Klar, jeder will hautnah dabei sein, die TV-Kameras, die Fotografen. Aber da wird man eine Art Sicherheitszone einrichten und die Menge derer, die dabei sind, reduzieren müssen. Aber ganz verhindern kann man das nicht. Für das Tempo, mit dem alle unterwegs sind und für das, was im Feld abgeht, passiert immer noch wenig. Ich denke, da ist auch einer der Ansatzpunkte.
Das Fahrverhalten?
Ja, ich habe mit Björn erst drüber gesprochen, er hat mir gesagt: „Papa, du weißt gar nicht, was da alles abgeht, mit welcher Rücksichtslosigkeit zum Teil gefahren wird.“ Da wird agiert ohne Rücksicht auf Verluste und nicht etwa an der Spitze, wenn’s um den Sieg geht, sondern mitten im Feld, wo es vielleicht um Platz 15 geht. Ich habe schon das Gefühl, dass die Fahrer ein wenig den Respekt voreinander verloren haben. Das war zu meiner Zeit anders. Da hat notfalls ein Patron, ein Hinault, ein Merckx für Ruhe und Anstand gesorgt, wenn einer sich daneben benommen hat. Da das jetzt nicht so ist, bin ich dafür, dass man über Sperren nachdenkt. Wer rücksichtslos fährt, bekommt eine Gelbe Karte, wer Wiederholungstäter ist, eine Rote Karte und wird dann für eine der großen Rundfahrten gesperrt.
Nicht minder schockierend ist der Herztod von Myngheer.
Auch das ist eine Tragödie! 22 Jahre. Über die Hintergründe will ich nicht spekulieren. Ich weiß, dass die Staatsanwaltschaft den Fall übernommen hat, dass das Teamhotel durchsucht wurde, um ausschließen zu können, dass Medikamente im Spiel sind. So etwas passiert aber auch Menschen, die keinen Leistungssport betrieben, daher will ich dazu nichts weiter sagen. Ich glaube nicht, dass Doping im Spiel war.
Haben Sie jetzt noch mehr Angst um Ihren Sohn?
Ja, absolut. Man muss nicht drumherum reden, das hätte genauso der Björn, mein Sohn, sein können, der da vom Motorrad überrollt wird. Überhaupt ist das alles gerade wahnsinnig, was in der Welt abgeht. Er fliegt eigentlich fast immer vom Flughafen in Brüssel aus zu den Rennen ab, und wirklich genau zu den Uhrzeiten, an denen jetzt gerade die