Der Zverev-Kosmos: Tennis-Star setzt auf die familiäre Komfortzone

München - Die Beine übereinander geschlagen, das Arbeitsgerät lässig an den Stuhl gelehnt: Als Alexander Zverev zum Round-Table-Gespräch Platz nimmt, wirkt er maximal aufgeräumt.
Eins der schönsten Turniere
Trainiert hat er schon, der Ellbogen schmerzt nicht, und statt wie sonst im Konferenzraum trifft er die Pressevertreter diesmal im Stuhlkreis auf der Wiese vor dem Klubhaus des MTTC Iphitos. "Schön bei euch hier", sagt er.
Später wird er von "heimischen Gefühlen" sprechen und den Satz sagen, den jeder Turnierdirektor liebt: "Die BMW Open sind eins der Turniere, das ich am meisten vermisst habe." Und wenn man ihn da so entspannt sitzen sieht, glaubt man ihm das.
In Madrid gibt es 1.000 Punkte zu holen
Dass Top-Ten-Spieler bei 250er-Turnieren antreten, ist die Ausnahme. Dicker im Turnierplan steht das Anschluss-Turnier in Madrid, wo es 1.000 Punkte zu holen gibt. Beide Wettbewerbe dienen den Stars als Vorbereitung auf das große Ziel: einen Grand-Slam-Titel.
So einer fehlt dem Weltranglisten-Sechsten Zverev noch, und doch behält er die BMW Open im Kalender, seit 2014 schon.
Ein Turnier mit familiärem Charakter
Vielleicht auch, weil der oft beschworene familiäre Charakter des Turniers hier tatsächlich gegeben ist. Mitten im Reden unterbricht sich Zverev selbst, grinst und zeigt rüber Richtung Center Court, wo sich wieder jemand an der bayerischen Grundfertigkeit des Nagelns versucht.
Zverev sagt: "Mein Bruder lässt gerade alle Aggressionen raus." Dem Hämmern nach zu urteilen, ist es eher ein Aggressiönchen.
Grund zum Ärgern hätte Mischa Zverev: In der Quali ist der 33-Jährige sang- und klanglos untergegangen, auf Rang 278 abgerutscht - ohne Wildcard von Turnierdirektor Patrik Kühnen wäre da nichts gegangen. Aber er will wieder angreifen, was bedeutet, dass er für das Management des kleinen Bruders nicht mehr viel Zeit haben wird.
"Dafür habe ich ja Sergej Bubka", erklärt Zverev. Der Sohn der Stabhochsprung-Ikone war 2009 die 145 der Tennis-Welt, spielte Davis Cup für die Ukraine, war mit Victoria Asarenka zusammen und gehört seit gut einem Jahr zum Team Zverev.
Im Januar trennte er sich von der Federer-Agentur
Im Januar 2020 hatte sich Zverev von der Federer-Agentur "Team 8" getrennt, kurz nach der Trennung von Coach David Ferrer, dem dritten Ex-Profi nach Ivan Lendl und Juan Carlos Ferrero, der sich mit Zverev versucht hatte. Die Devise von Deutschlands Nummer eins: back to the roots, zu Papa Alexander, der ihn von klein auf coacht.
Zverev sagt aber auch: "Seit diesem Jahr habe ich viele Sachen in die eigene Hand genommen." Zeit wird's, es ist immerhin schon seine achte Saison als Profi.
Sportliche und private Schlagzeilen
Das vergangene Jahr hat ihn offenbar reifen lassen. Da waren einerseits sportliche Schlagzeilen wie das Halbfinale in Australien und das irre US Open-Finale jeweils gegen Dominic Thiem, andererseits unschöne Nachrichten vom laxen Umgang mit der Pandemie und von massiven Vorwürfen einer Ex-Freundin.
Vater ist er unlängst geworden, jedoch lebt Tochter Mayla bei der Mutter. Viel Input für einen Sportler, der außer einem fitten Körper vor allem eins braucht: einen klaren Kopf. Da scheint sich einiges getan zu haben.
Zverev sagt: "Du musst nicht jedes Jahr besser spielen als letztes Jahr." Stattdessen will er sich auf einzelne Turniere konzentrieren und von Leistungsschwankungen nicht mehr aus der Bahn werfen lassen, solange ein paar anständige Titel rausspringen. Will sagen: Grand Slams, die einzig wahre Währung für Top-Spieler. Und heuer: Olympia.
In Tokio will er Einzel und Mixed spielen, mit Angelique Kerber: "Das haben wir vor Jahren schon abgemacht", sagt Zverev. Im Doppel wartet er, ob Andreas Mies fit wird und würde ihm samt Partner Kevin Krawietz den Vortritt lassen.
Zverev nimmt sein Impfangebot noch nicht wahr
Eine Impf-Priorität sieht er skeptisch: "Ich habe das Angebot, aber ich finde, es gibt wichtigere Menschen, die geimpft werden sollten als Olympia-Sportler."
Auch beim Davis Cup zeigt er klare Kante: Dem neuen Modus kann er nichts abgewinnen und will deshalb im Viertelfinale gegen Österreich und Serbien nicht spielen: "Ich habe ATP Cup gespielt - für mich ist das dasselbe. Ich hoffe, dass sie wieder zum alten System zurückkehren, mit Emotionen, mit Leidenschaft, mit Passion." Und dann auch wieder mit: Alexander Zverev.