Der Windel-Experte

Am Sonntag beginnt die ATP-Weltmeisterschaft im Tennis: Roger Federer gehört zu den Favoriten. Lange die Nummer 1 der Welt, setzt der Schweizer nun neue Prioritäten – die ihn nur stärker machen.
AZ: Herr Federer, Ihr Leben hat sich verändert, seit sie Vater geworden sind. Ist das Reisen jetzt schwieriger geworden mit den Kindern, das Leben auf der Tour.
ROGER FEDERER: Zum Glück überhaupt nicht. Die beiden Mädchen sind echte Champions im Reisen, sie scheinen einfach gerne unterwegs zu sein. Nicht mal der Wechsel von Zeitzonen und Klima stört sie besonders. Das hat sich alles viel unkomplizierter entwickelt als ich gedacht habe. Mirka ist eine Riesenhilfe für mich. Sie nimmt mir sehr viel Arbeit ab.
Als klar wurde, dass Ihre Frau schwanger ist, haben Sie da auch Angst vor dieser neuen Verantwortung gehabt - und vor den Schwierigkeiten, die es in diesem außergewöhnlichen Berufsleben geben könnte?
Zunächst mal stand für meine Frau die Frage im Raum: Kann ich meinen Mann jetzt noch so oft begleiten? Werden wir häufiger getrennt sein? Aber diese Befürchtungen sind längst weg, wir beide sind einfach sehr dankbar dafür, dass wir gemeinsam mit den Kindern diese Reisen genießen können. Ich hätte auch gewaltige Probleme damit gehabt, Mirka zurückzulassen, ihr die ganze Kinderbetreuung zuzuschieben. Ich fühle mich schon als moderner Vater, der seine Aufgaben kennt. Der sich um die Kinder kümmert, weil er es aus ganzem Herzen gerne will.
So sind Sie dann eben auch Experte im Windelwechseln geworden.
Tja. Das ist die meistgestellte Frage gewesen in den ganzen Monaten: Herr Federer, wechseln Sie eigentlich auch Windeln? Und um das zu beantworten: Ja, ich bin Experte geworden. Inzwischen ist es etwas schwieriger, langwieriger geworden, weil sie sich einfach schneller bewegen.
Ihre große Siegesserie im letzten Jahr, die Triumphe in Paris und Wimbledon: Sind Sie dabei auch beflügelt worden durch die Aussicht, Vater zu werden?
Ich bin mit Rückenwind über den Platz geflitzt. Es hat mich extrem angespornt. Auch, weil ich sah, wie gut es Mirka ging bei der Schwangerschaft. Das hat mich beruhigt und topmotiviert. Es war wirklich schwer, mich in dieser Zeit zu schlagen. Und die Propheten, die gedacht haben, Federer gewinnt nichts mehr, wenn er erst mal Vater ist, habe ich auch widerlegt. In Melbourne habe ich den ersten Grand Slam-Titel als Vater geholt, und ich hoffe mal, dass es nicht der letzte gewesen ist.
Merken Sie, dass der Körper die Belastungen nicht mehr so wegsteckt wie in Teenagerjahren?
Nein. Ganz im Gegenteil. Ich fühle mich besser als je zuvor. Wahrscheinlich, weil ich bewusster trainiere, besser trainiere. Und besser betreut werde. Ich habe im Moment gar keine Bedenken, noch weit über 2012 hinaus spielen zu können.
Man hatte in den letzten Jahren oft den Eindruck, dass Sie gut zu spielen beginnen, wenn alle Welt Sie abschreibt.
Ich schaue nicht jeden Tag in die Zeitungen oder surfe im Internet, um zu lesen, wie schlecht ich angeblich bin. Ich muss einfach vieles ausblenden. Auch in den letzten Monaten war ich immer felsenfest sicher, dass ich auf einem guten Weg bin und die richtigen Dinge tue.
Was sind die richtigen Dinge?
Gut trainieren. Mental stark bleiben, nicht kaputt gehen im Kopf, wenn’s mal nicht so läuft wie gewünscht. Ich musste zum Glück noch nicht oft mit Krisen fertig werden. Aber wenn es Enttäuschungen gab, dann habe ich sie immer überwunden. Und diese psychische Kraft ist wichtig. Sie gibt dir Mut bei Problemen. Du weißt: Es gibt immer einen Weg für dich.
Gibt es etwas, was Sie besonders an diesem Leben im Tenniszirkus stört?
Nicht wirklich. Das Leben aus dem Koffer, das viele Unterwegs-Sein ist schon manchmal eine Belastung. Man fühlt sich schon heimatlos, als Nomade. Aber mir geht es auch wie vielen in diesem Profitennis-Circuit: Ist man viel unterwegs, klagt man über die Reiserei. Ist man länger an einem Ort, kriegt man wieder Fernweh. Es ist ja kein Beruf bis zur Rente. Ich bin schon sehr glücklich und zufrieden mit meinem Leben. Ich spiele in Superstädten, wohne in tollen Hotels. Ich weiß, dass es ein Privileg ist, so zu leben und arbeiten wie ich. Keine Klagen also, um Himmelswillen.
Ist Nadal der größte Gegner Ihres Tennislebens – der Mann, den Sie am meisten zu fürchten haben, den sie am meisten respektieren?
Das ist er ohne großen Zweifel. Wir haben so häufig in großen Matches gestanden, haben große Spiele bestritten. Das ist schon eine faszinierende Rivalität. Ich bin froh, dass er wieder so stark zurückgekommen ist. Denn unsere Spiele holen immer das Beste aus beiden Spielern heraus.
In der Tenniswelt werden die wirklich bekannten Topstars immer rarer, viel spielt sich zwischen Federer, Nadal, Djokovic oder Murray ab. Wo sind die neuen Gesichter, die jungen Himmelsstürmer?
Ich kenne auch keinen nächsten Superstar. Und das finde ich ebenso schade wie überraschend. In meiner Teenagerzeit kamen jede Saison zwei, drei wirklich starke Leute hinzu - Hewitt, Safin, Ferrero oder Roddick. Vielleicht hat es damit zu tun, dass das Spiel noch körperlicher geworden ist, der Weg zur Spitze noch beschwerlicher. Es scheint so, als ob die Zeiten vorbei wären, in denen ein Boris Becker mit 17 Jahren plötzlich in Wimbledon siegen konnte, schlagartig sozusagen.
Weg vom Centre Court: Wie sieht ein idealer Tag ohne Tennis gerade aus für Sie?
Ich verbringe soviel Zeit wie möglich mit den Kindern. Aber es ist auch wichtig, dass ich Zeit für Mirka finde. Manchmal ist man ein paar Tage nur damit beschäftigt, sich zusammen um die Kinder zu kümmern. Dies und das Problemchen zu lösen. Und man stellt plötzlich fest: Was haben wir beiden gemacht, wie haben wir miteinander geredet? Also, da will ich schon aufpassen. Als Vater hatte ich Riesenglück, meine Kinder bisher richtig aufwachsen zu sehen. Tag für Tag, auch wenn ich bei einem Turnier beschäftigt war. Dies ist das Schönste in dieser Phase: Zeit zu haben für die Zwillinge, für Mirka. Das genügt mir zum Glücklich-Sein.
Wie reden Sie mit den Kindern?
Zu 95 Prozent Schweizerdeutsch, manchmal auch in Englisch.
Interview: Jörg Allmeroth