Der Vierschanzenkrieg
OBERSTDORF - Ballyhoo zwischen den Wintersportnationen Schweiz und Österreich – weil Routinier Ammann Topstar Schlierenzauer den Toursieg streitig macht.
Auf den ersten Blick wirken sie komplett verschieden. Da ist der ruhige Simon Ammann. Der 27-jährige Schweizer spricht langsam und präzise. Neugierige und analytische Augen blicken hinter seiner Harry-Potter-Brille hervor. Und dann ist da der junge Gregor Schlierenzauer. Das österreichische Wunderkind, 18 Jahre alt, schon jetzt an der Weltspitze des Skispringens, lange Haare, lässiges Auftreten. Auf und abseits der Schanze versprüht er den Charme jugendlicher Unbedarftheit. Er gilt als emotionaler Typ.
Der Schweizer Ammann und der Österreicher Schlierenzauer, da sind sich Experten wie DSV-Trainer Werner Schuster sicher, werden sich ein großes Duell um den Sieg bei der am Montag in Oberstdorf beginnenden Vierschanzentournee (16.30 Uhr, ZDF live) liefern. „Ammann und Schlierenzauer sind ganz klar die großen Favoriten“, sagt Schuster, der als Schweizer Chefcoach Ammann einst selbst trainierte. Und Martin Schmitt, der aus der Versenkung zurückgekehrte Deutsche, sieht sich selbst „noch nicht auf dem Niveau“ der Topstars.
Dass beide in der Qualifikation nur Sicherheitssprünge zeigten – Schlierenzauer wurde Dritter, Ammann Fünfter – ändert nichts am Ausnahmestatus des Duos. „Es kann ein großes Duell werden", sagt Ammann und tönt: „Es muss einiges passieren, dass mir etwas in die Quere kommen kann. Ich bin Führender im Weltcup. Es ist mir egal, wer sich links und rechts von mir nach vorne schieben will.“
Egal ist ihm also vor allem Schlierenzauer, der zuletzt zu großer Form auflief. Dennoch sieht die Bilanz des Duells nach sieben Weltcup-Springen den Schweizer mit 4:2-Siegen (einmal gewann der Japaner Yumoto) im Vorteil. Schlierenzauer kümmert das wenig. Er findet es „sehr lässig“, dass er als Tournee-Gewinner gehandelt wird und erklärt: „Es ist natürlich eine besondere Würde für mich, dass ich hier als Favorit gelte.“ Über Ammann sagt er spöttisch: „Simon springt nicht so gut, dass ich schlaflose Nächte hätte."
Dabei hat das Duell längst begonnen. Schon vor Tournee-Beginn. Im italienischen Pragelato hatte Ammann bei der Landung kurz in den Schnee gegriffen. Ex-Weltmeister Armin Kogler schimpfte, der Schweizer sei ein „Bankräuber“, der seine Tat leugne, bis man ihn in flagranti erwische. Deshalb fehle es ihm an menschlicher Größe. „Gregor Schlierenzauer ist der moralische Sieger“, erklärte Österreichs Trainer Alexander Pointner. Und auch beim Weltcup in Engelberg mäkelte Pointner, der Schweizer bekomme zu hohe Haltungsnoten.
Nun droht also der Vierschanzenkrieg. So viel böses Blut gab es lange nicht zwischen den beiden Wintersportnationen Österreich und Schweiz. Daher rief der Züricher „Blick“ vor der Tournee nun den „Nachbarkrieg“ aus und feiert bereits den „Simi, der die Austria-Adler ins Straucheln bringt". Ammann selbst wirkt gelassen, sagt aber auch: „Das Duell Schweiz gegen Österreich hat eine ganz besondere Brisanz in sich. Man hat schon gemerkt: Die Stimmung hier an der Schanze ist richtig gut." Es kracht. Und dies gefällt dem Doppel-Olympiasieger von 2002, dem Fan der Heavy-Metal-Band Metallica. So sagt sein 18-jähriger Rivale Schlierenzauer: „Ich würde auf mich setzen." Doch Ammann ficht das nicht an. Er meint dazu lapidar: „Ich würde Geld auf mich selbst setzen.“ Es scheint sich um Zocker zu handeln.
Reinhard Keck
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