„Der Verdacht frisst alles an“

Tour-Betrüger können sich offenbar mit Hilfe eines Labors in Spanien vor positiven Tests schützen. Dort werden die Athleten unter medizinischer Aufsicht an die Grenzwerte "herangedopt"
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„Eine Reformation der Tour de France bleibt unvorstellbar, weil man dann lauter Ernüchterte auf die Piste schicken würde“ .
az „Eine Reformation der Tour de France bleibt unvorstellbar, weil man dann lauter Ernüchterte auf die Piste schicken würde“ .

Tour-Betrüger können sich offenbar mit Hilfe eines Labors in Spanien vor positiven Tests schützen. Dort werden die Athleten unter medizinischer Aufsicht an die Grenzwerte "herangedopt"

DIGNE-LES-BAINS „Man begreift, dass das, was diese Männer leisten, alles übersteigt, was Normalsterbliche begreifen können.“ Das sagt Peter Sloterdijk, Philosoph und Hobbyradler, im „Spiegel“ über den Zauber der Tour de France und seine eigene Erfahrung vom Anstieg mit dem Rad auf den Mont Ventoux.

Doch wird das Unbegreifliche nicht begreiflich durch die unerlaubten Hilfsmittel, deren sich diese Übermenschen bedienen? Und nicht erst seit Riccardo Ricco? Der Zweifel, der Argwohn, das Misstrauen klettern mit, seit ab Sonntag bis zum Ziel der Königsetappe in Alpe d'Huez am Mittwoch sich die Hochgebirgsspezialisten die Serpentinen hinaufquälen. Nach der Bergankunft Prato Nevoso (1440 m) am Sonntag in Italien folgen nach einem Ruhetag die Zweitausender Col de la Lombarde (2351 m), der Cime de la Bonnette-Restefond (2808 m), schließlich der mythische Galibier (2645), der Col de la Croix-de-Fer (2067) und die berühmten 21 Spitzkehren nach Alpe d'Huez (1800 m).

Werden die Helden dieser Leidensfähigkeit nicht ein paar Tage später wieder die Betrüger der Schlacht in den Alpen sein – wie Riccó in den Pyrenäen? Nach seinem Solo-Sieg auf der ersten Pyrenäen-Etappe rühmte das Tour-Organ „L'Equipe“ noch den „Biss der Kobra“. Drei Tage später war "die Kobra aufgespießt." Die Heroen von gestern sind die Verfemten von morgen.

Die Betrüger in den Pyrenäen, Ricco, Piepoli und das Team Saunier Duval, sind eliminiert und geständig. Ob andere wie Cadel Evans, Frank Schleck, Christiane Vandevelde & Co. sauber sind? Philosoph Sloterdijk mag derlei Einschränkungen nicht. „Der Verdacht frisst alles an, zuletzt sogar die Freude an den Siegen der eigenen Landsleute."

Sportler seien keine Heiligen, aber sie müssten wenigstens als Heldendarsteller etwas taugen, findet Sloterdijk. Denn ohne Heuchelei sei der Radsport nicht überlebensfähig: „Eine Reformation der Tour de France bleibt unvorstellbar, weil man dann lauter Ernüchterte auf die Piste schicken würde. Das wäre der Natur des Ereignisses nicht gemäß.“

Und so schafft sich das Ereignis seine eigene zweifelhafte Wahrheit. Auch mit moderner Wissenschaft. Laut einem ARD-Bericht soll ein Labor im spanischen Caceres zehn Profiradteams per E-Mail angeboten haben, durch Urin-Analysen ein komplettes Steroid-Profil der Fahrer durchzuführen. Der bereits vor Jahren in eine Doping-Affäre verwickelte, später aber wieder freigelassene Arzt Marcos Maynar Marino bietet darin Untersuchungen nach den Standards des Weltverbandes UCI an. Solche Steroid-Analysen könnten dazu dienen, dass sich Sportler an Grenzwerte herandopen und positiv getestete Sportler vor einer offiziellen Doping-Kontrolle aus dem Rennen genommen werden.

Die Dopingjäger haben das geahnt. Nicht nur in Italien, wo die Tour Dienstag weitergeht, regt sich Wut. Dort fordert der „Corriere dello Sport“: „Die Herren vom Radsport: Jetzt stoppt alles!“ H.S.

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