Der Verdacht fährt immer mit

Lance Armstrong kann auf drei Leben verweisen: Eines vor dem Krebs, eines als siebenmaliger Siegerder Frankreich-Rundfahrt – und nun auch auf eines als Rückkehrer, der weiter umstritten bleibt.
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Er radelt viel und er twittert viel: Lance Armstrong nutzt das Internet, um mehr als eine Million Menschen über sein Befinden zu informieren.
dpa Er radelt viel und er twittert viel: Lance Armstrong nutzt das Internet, um mehr als eine Million Menschen über sein Befinden zu informieren.

MONACO - Lance Armstrong kann auf drei Leben verweisen: Eines vor dem Krebs, eines als siebenmaliger Siegerder Frankreich-Rundfahrt – und nun auch auf eines als Rückkehrer, der weiter umstritten bleibt.

Vier Jahre war er weg, genauer gesagt: 1441 Tage ist es her, dass Lance Armstrong sich zuletzt das Trikot bei der Tour de France übergestreift hat. Nach den Dopingvorwürfen war er eine persona non grata, nun aber, da der Rad-Regent zurückkehrt, empfängt sogar die Fürstenfamilie von Monaco den siebenmaligen Tour-Sieger, der mit 37 Jahren sein Comeback gibt.

Als sich Armstrongs Astana-Mannschaft zur Präsentation auf dem Podium in Monte Carlo aufstellt, wo am Samstag die 96. Tour startet, nimmt Alberto Contador, der spanische Sieger von 2007, als Letzter nach Armstrong seinen Platz ein. Der Letzte in der Reihe ist der Kapitän. Bei keinem aber ist der Jubel frenetischer als bei Armstrongs Auftritt. Der unerwartet begeistert empfangene Texaner winkt hinüber zur Tribüne.

Das Tour-Organ „L'Equipe“, das ihm nach seinem Rücktritt 2005 den Makel des Lügners anhaftete, konnte ihm gerade ein positives Umfrage-Ergebnis mitteilen: 72 Prozent der Franzosen stören sich nicht an seinem Comeback. „Natürlich gibt es immer noch Leute, die mich beschimpfen. Aber die meisten haben mir zugejubelt“, sagt Armstrong.

Sein Comeback zum Jahresbeginn hatte er mit dem Bewusstsein in Australien angetreten, „das bestimmte Länder und Kulturen gegen mich sind. Ich bin darauf vorbereitet, dass es für mich heiß und kalt werden wird.“ Vor allem in Deutschland wird Doping intensiver diskutiert als im Rest der Welt. Armstrong kennt die Abneigung, sie ihm gleichgültig. „Ehrlich, es kümmert mich nicht, wie die Deutschen zu mir und zur Tour de France stehen.“ Grinsend fügte er hinzu. „Hey, wir haben sogar einen Deutschen im Team.“ Andreas Klöden, ebenfalls häufiger unter Dopingverdacht, ist hierzulande nicht minder umstritten.

"Ich weiß, dass manche Länder gegen mich sind"

Dennoch: Das Comeback des Dominators verleiht der zuletzt nur durch Dopingskandale noch aufregenden Tour der letzten drei Jahre mit betrügerischen (Floyd Landis 2006), nachgerückten (Oscar Pereiro 2006), verdächtigten (Alberto Contador 2007) und glanzlosen Siegern (Carlos Sastre 2008) wieder Aufregung, Spannung, Dramatik. Armstrong gilt die ganze Aufmerksamkeit, ob siegt oder verliert. Er selbst gesteht: „Ich habe nicht das Selbstvertrauen von früher, ich bin nervös.“

Natürlich hängt dem Texaner die Enthüllung von „L'Equipe“ nach dem Rücktritt 2005 noch an. Die französische Sportzeitung entschlüsselte die Codes von zwölf älteren Urinproben aus dem Jahr 1999, in denen ein Labor in Paris mit neuen Testmethoden Spuren von Epo gefunden hatte. Sechs Fälle ordnete man Armstrong zu. Bewiesen wurde nichts. Doch auch heute gilt: Der Verdacht fährt immer mit. „Wir müssen einen aktiven Kampf gegen Doping führen. Die Kontrollen werden vielseitig sein, und ich sage Lance Armstrong, dass er besonders überwacht wird“, erklärte Frankreichs Gesundheitsministerin Roselyne Bachelot.

Dabei verdient Armstrong bei aller berechtigten Skepsis auch Respekt: Einmal für sein Comeback. Locker wurde er Zwölfter beim Giro d'Italia, seiner ersten anspruchsvolle Rundfahrt nach fast vier Jahren Pause – und sieben Wochen nach einem vierfachen Schlüsselbeinbruch.

Vor allem aber für seinen Eifer im Kampf gegen den Krebs mit seiner Stiftung „Livestrong". Die Wirkung des Krebsbesiegers auf die Krebskranken dieser Welt wird angesichts der Doping-Debatte wenig gewürdigt. Fast 300 Millionen Dollar hat „Livestrong" gesammelt. Der Radstar stellt seine Passion in den Dienst seiner Mission. „Aus Sicht der Stiftung habe ich bereits gewonnen. Wir haben mehr erreicht als erwartet. Auch aus sportlicher Sicht war meine Rückkehr ein Erfolg, auch wenn ich am Ende weder den Giro noch die Tour gewonnen haben sollte“, sagte er der „L'Equipe“.

Armstrong, der siebenmalige Tour-Sieger, schiebt diesmal die Favoritenrolle von sich. Das erklärte Ziel heißt: „Wenn ich Fünfter werde, aber die globale Kampagne gegen den Krebs ein Erfolg ist, hat sich das Comeback gelohnt.“

Hartmut Scherzer

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