Der Todesberg ruft
Mont Ventoux „Das schmutzige Weiß der Bergkuppe ist ekelerregend. Wie von Hand des Teufels geformt, ragt sie aus der flachen Landschaft der Provence in die heiße, flimmernde Luft. Aber es ist nicht Schnee, was sich da vom dunstigen Blau des Horizonts abhebt, sondern kahles, gebleichtes vulkanisches Gestein. Es ist der Gipfel des Mont Ventoux. Ein hässliches, geröllübersätes Ungetüm. Der kahle Gipfel, den wir seit vielen Kilometern wie eine böse, alptraumartige Vision vor Augen haben, ist jetzt zum Greifen nahe. Es ist das Einsteigen zur Fahrt in die Hölle. Man merkt es nicht gleich. Pinienwälder, deren Bäume immer kümmerlicher werden, verdecken die ersten Serpentinen. Dann aber tritt der Berg mit seiner grausamen Kahlheit aus der Kulisse heraus, als ob er seinen Angreifern einen Keulenschlag versetzen wollte.”
So dramatisch hat der Schriftsteller („Die Baskenmütze”) Hans Blickensdörfer einst den gespenstischen Monolithen an dem Tag beschrieben, als Tom Simpson starb.
Am 13.Juli 1967. Drei Kilometer vor dem Ziel, bei 42 Grad, war der Brite, 29 Jahre alt, Weltmeister 1965, vom Rad gefallen, hatte sich taumelnd noch einmal erhoben, wollte wieder aufsteigen, brach aber zusammen.
Tour-Arzt Dr.Dumas versuchte am Straßenrand mit Mund-zu-Mund-Beatmung und Herzmassagen, den Bewusstlosen zu retten. Doch Tour-Direkor Felix Levitan musste später das Unfassbare verkünden: „Tom Simpson ist um 17.40 gestorben.” Doch nicht der Berg hat den Radprofi getötet, sondern auch Dopingmittel. Am Sonntag, am 14. Juli, am französischen Nationalfeiertag, einen Tag nach Simpsons 46. Todestag, führt die Strecke der 100. Tour de France wieder auf den Mont Ventoux, vorbei an dem grabsteinähnlichen Denkmal. „Le Ventoux sans pitie”, sagen die Bewohner der Provence. „Der Ventoux kennt kein Erbarmen.”
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