Der Nerverl-Test
„Stunde der Wahrheit“ im Stall-Duell der Schwergewichtler zwischen Luan Krasniqi und Alexander Dimitrenko, der von Weltmeister-Coach Fritz Sdunek betreut wird: "Es ist Luans letze Chance - und sein letzter Kampf."
DÜSSELDORF Normalerweise starren sich Boxer vor Kämpfen bösartig in die Augen. Zuweilen auch hasserfüllt.
Doch bei Luan Krasniqi (37) und Alexander Dimitrenko (26) ist das ganz anders. Da umspielt ein auf beiden Seiten freundliches Lächeln die Lippen. Denn die beiden Schwergewichte, die am Samstag (23 Uhr, ZDF live) in Düsseldorf in den Ring steigen, sind nicht nur Stallkollegen, sie sind sogar Freunde.
„Die Freundschaft endet am Samstag, da steht mir nur ein weiterer Gegner gegenüber, den ich schlagen werden“, sagt Dimitrenko. Und Krasniqi, dessen Name Luan Löwe bedeutet, meint: „Boxen ist ein harter Sport. Und dies ist ein extrahartes Duell.“
Denn für beide ist es die „Stunde der Wahrheit“, wie es Jean-Marcel Nartz, der technische Direktor des Boxstalls Universum, bei dem beide Boxer unter Vertrag sind, ausdrückt: „Sollte Luan klar verlieren, war es das mit seiner Karriere gewesen – dann ist er als Boxer durch. Und wenn Alexander entscheidend unterliegt, ist der WM-Kampf gegen Wladimir Klitschko, der innerhalb eines Jahres kommen sollte, nur noch Wunschdenken. Ich weiß nicht, wer gewinnt, denn Luan ist unberechenbar. Man weiß nie, welcher Luan im Ring steht.“
Also jener Luan, der 2005 gegen den damaligen Weltmeister Lamon Brewster eines der mitreißendsten Box-Gefechte der jüngeren Vergangenheit lieferte und den Champion am Rande des K.o.. hatte, ehe dieser ihn in der neunten Runde zur Aufgabe zwang? Oder wird es jener Luan sein, der sich 2007 von Tony Thompson fast ohne Gegenwehr verprügeln ließ? Oder jener Luan, der sich 2002 sich gegen Przemyslaw Saleta aus unerfindlichen Gründen weigerte weiterzuboxen? „Luan ist ein Nerverl“, sagt Vitali Klitschkos Trainer Fritz Sdunek, der seit Jahren in Dimitrenkos Ecke steht.
Der Kampf als Nerverl-Test. „Das hier ist definitiv Luans letzte Chance, und genau so wird er boxen, genau so wird er in den Kampf gehen. Aber wir sind auf alles vorbereitet. Ich denke, seine letzte Chance wird auch sein letzter Kampf sein.“
Dass er diese Chance überhaupt bekommt, war Krasniqi eine Herzensangelegenheit. Zu sehr war sein Stolz durch die blamable Vorstellung gegen Thompson verletzt. Nach dem Kampf hatte ihm sogar sein damaliger Trainer Thorsten Schmitz geraten, die Karriere zu beenden. „Aber so konnte ich nicht abtreten, nicht mit einem solchen Kampf. Ich weiß bis heute nicht, was da mit mir los war, ich habe für mein totales Versagen selber keine Erklärung“, sagt Krasniqi, „aber ich habe ein anderes Ende verdient.“
Dass dieser Kampf gegen Dimitrenko sein letzter sein wird, das glaubt Krasniqi nicht. „Luan denkt, dass Dimitrenko vollkommen überschätzt ist. Gutes hat Luan über den Boxer Dimitrenko nie gesagt“, weiß Nartz, „wir werden am Samstag sehen, ob Dimitrenko noch zu grün ist. Denn Luan ist abgebrüht, kennt alle Tricks.“
Am Samstag, da schlägt sie, die Stunde der Wahrheit.
Matthias Kerber
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