Der Knastboxer will den WM-Titel
Jürgen Brähmer (30) war mal ganz unten, saß sechs Jahre im Gefängnis. Jetzt hofft er beim Kampf gegen Weltmeister Hugo Hernan Garay auf die Krönung seiner Karriere.
ROSTOCK Nur, weil man als „Jahrhunderttalent“ tituliert wird, heißt das noch lange nicht, dass auch ein Weltmeister weiß, wer man ist. Diese Erfahrung musste Jürgen Brähmer machen. Der erhält am Samstag (23 Uhr, ZDF live) seinen ersten Titelkampf gegen den Argentinier Hugo Hernan Garay (27). Der kurze, trockene Kommentar des Gaucho-Fighters zu Brähmer lautet nur: „Ich kenne ihn nicht. Viel Ruhm kann er nicht errungen haben." Der Ruhmlose kontert: „Am Samstag, da wird er mich kennen lernen."
Da wird sich zeigen, ob Brähmer wirklich das Jahrhunderttalent ist, als das ihn sein Promoter Klaus-Peter Kohl ausgemacht hat – oder eher ein Jahrhundert-Flop. Sechs Jahre nachdem er vor einem Titelfight stand, dann aber nach einem Autounfall dem Unfallgegner zwölf Zähne ausschlug und abermals im Gefängnis landete. Er, der Knastboxer, der insgesamt fast sechs Jahre wegen diverser Körperverletzungs- und Trunkenheitsdelikte sowie wegen gefährlichen Raubes im Knast saß.
Immer wieder war Brähmer sich selbst sein größter Feind. Doch immer hielt ihm Kohl die Treue. In guten wie in schlechten Zeiten. „Ich habe immer an Jürgen geglaubt. Er ist eine Art Ziehsohn", sagt Kohl. „Er ist ein sensibler Mensch, der auch aufgrund dieser Sensibilität sicher falsche Entscheidungen getroffen hat, aber er hat auf den richtigen Weg gefunden. Es ist Zeit, dass er sein unglaubliches Talent umsetzt." Deswegen hat er Brähmer einen Rentenvertrag gegeben. Viel Dank bekommt er dafür aber nicht. „Das macht Kohl ja nicht, weil er ein Gutmensch ist. Sondern weil er mich so halten konnte", sagt Brähmer.
Mit Geld und dem Titelkampf. „Weltmeister, das ist das Ziel, das ich habe, das mich beim Boxen hält." Denn er macht auch in Immobilien – und das erfolgreich. Doch vorerst will er sich wieder im Ring prügeln. „Ich habe Jürgen zwei Möglichkeiten aufgezeigt. Zu warten, bis Joe Calzaghe seinen Titel niederlegt, oder eine Gewichtsklasse hoch zu gehen und gleich gegen Garay zu boxen, was der schwere Weg ist. Er hat nicht eine Sekunde gezögert – und sich für den schweren Weg entschieden."
Brähmer boxt jetzt im Halbschwergewicht, der Gewichtsklasse, in der schon Henry Maske und Dariusz Michalczewski für Furore sorgten. „Jürgen hat alles dafür getan, der beste Brähmer aller Zeiten zu sein. So wie er sich im Training reingehängt hat, habe ich ihn kaum wiedererkannt. Aber Garay ist ein harter Hund, das wird ein Kampf bis zum letzten Blutstropfen", sagt Trainer Michael Timm.
Der beste Brähmer aller Zeiten, reicht das für den WM-Titel? Erfolgscoach Fritz Sdunek, der etwa Vitali Klitschko betreut, hat Zweifel. „Darunter verstehe ich was anderes. Er hat großes Können, aber auch klare Schwächen." Die Kondition, die Deckungsarbeit. Diese Schwächen offenbarte Sdunek-Schützling Mario Veit 2006 schonungslos, als er Brähmer in München ausboxte. Jetzt muss Brähmer zeigen, dass vermeintliche Jahrhunderttalente aus dem Holz sind, aus dem echte Champions gemacht sind. Er wäre der dritte Deutsche - nach Felix Sturm und Arthur Abraham -, der sich dann Weltmeister nennen kann.
Matthias Kerber
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