Der Keep-smiling-Klinsi

Jürgen Klinsmann lächelt. Immer und überall. Sogar wenn etwas schiefgeht - wie jüngst das 1:2 im Supercup gegen Dortmund. Grinst Klinsi aus Methode? Oder weil er sein „Keep smiling“-Gesicht von der sonnigen Ostküste der USA reimportiert hat?
von  Abendzeitung
Immer lächelnd, auch wenn es nicht lustig ist: Jürgen Klinsmann.
Immer lächelnd, auch wenn es nicht lustig ist: Jürgen Klinsmann. © MIS

MÜNCHEN - Jürgen Klinsmann lächelt. Immer und überall. Sogar wenn etwas schiefgeht - wie jüngst das 1:2 im Supercup gegen Dortmund. Grinst Klinsi aus Methode? Oder weil er sein „Keep smiling“-Gesicht von der sonnigen Ostküste der USA reimportiert hat?

Eine Masche sei es keinesfalls, erstaunlich ist es dennoch. Jürgen Klinsmann lächelt eigentlich immer. Oder er grinst. Oder er schmunzelt. Ist der neue Bayern-Trainer einfach ein durch und durch fröhlicher Mensch, ein unerschütterlicher Optimist? Oder hat seine Mimik System? „Bei mir sieht es drinnen genauso aus wie außen“, sagte der 43-Jährige – und wunderte sich über die Frage: „Man sollte irgendeine Mimik nicht zu ernst nehmen.“ Der Keep-smiling-Klinsi.

Tatsächlich hatten die TV-Kameras am Mittwochabend bei der 1:2-Pleite beim Supercup in Dortmund einen Bayern-Trainer eingefangen, der sogar dann schmunzelte, als es genug Gründe gab, sich zu ärgern. Als Miroslav Klose die Möglichkeit zur Führung kläglich vergab, grollte sein Banknachbar, Manager Uli Hoeneß. Und was machte Klinsmann? Er grinste. Und das, wenn auch gequält, sogar noch nach dem ersten Gegentor durch Jakub Blaszcykowski. Nein, Methode habe dieses unerschütterliche Lächeln nicht. „Ruhig und gelassen“ sei er gewesen, erklärte Klinsmann. Gedanken darüber, wie dies auf Außenstehende wirke, mache er sich nicht. „Es ist mir egal, wie das rüberkommt. Man sollte das nicht überbewerten“, sagte der Coach.

Reimport der Ostküste

Außerdem sei es eben seine Art, nach vorne zu blicken: „Die Vergangenheit zählt nicht.“ So wisse er, Klinsmann war selbst Weltklasse-Stürmer, beispielsweise, was sich Klose gedacht habe – und auch, dass der Nationalstürmer, der erst sechs Tage wieder trainiere, den Ball normalerweise versenken würde.

Der immer lächelnde Klinsmann – nur ein Zufall? Und doch erscheint dieses Lächeln typisch für den scheinbar stets gut gelaunten Wahl-Kalifornier. Klinsmann hat noch immer seinen Zweitwohnsitz im pazifischen Surferparadies Huntington Beach, wo er seit seinem Karriereende als Spieler mit Frau Debbie und den beiden Kindern lebte, wo die Familie bis dato noch immer lebt. Hat der gebürtige Schwabe Klinsmann sein „Keep smiling“-Gesicht von der sonnigen Ostküste der USA reimportiert? Der Wissenschaftler Jürgen Beneke hält dies für realistisch.

Zu Erfolg verpflichtet

Der 68-Jährige ist emeritierter Professor für Interkulturelle Kommunikation und hat sich an der Universität Hildesheim jahrzehntelang mit landestypischen Verhaltensweisen befasst. Er sagte zur AZ: „Gerade in Kalifornien ist es so, dass man, wenn man nicht lächelt, gefragt wird: Warum guckst du so böse? Niemand dort will feindselig rüberkommen.“ Dies gelte in den USA generell. Beneke liefert dafür zwei Gründe. Erstens: „Amerikaner haben im öffentlichen Raum eine Vereinbarung von Kindesbeinen an: Ein freundliches Gesicht zeigen. Sie wollen mit diesem Lächeln eine positive Grundstimmung vermitteln, dem anderen den Erstkontakt erleichtern.“ Zweitens: „Amerikaner sind von der kulturellen Grundeinstellung zu Erfolg verpflichtet. Sie wollen niemanden am eigenen Unglück teilhaben lassen, den anderen nicht mit dem eigenen Leid belasten. Es ist denkbar, dass Jürgen Klinsmann das übernommen hat und deshalb auch bei Nackenschlägen lächelt.“ Auch Barack Obama, US-Präsidentschaftskandidat der Demokraten, grinse ständig in die Kamera.

Und hilft’s? „Das ist wie bei Leuten, die in ein Vorstellungsgespräch mit einer gewissen Siegermentalität gehen“, sagt Beneke, „das hat seine Wirksamkeit. Das Lächeln als positives Erscheinungsbild soll auch mentale Kraft vermitteln.“ Jedoch könne es sich auch um „Strategie, Autosuggestion, Selbstprogrammierung“ handeln. Aber wie sagte Klinsmann so schön? „Bei mir sieht es drinnen genauso aus wie außen.“

Jochen Schlosser, Thorsten Klein

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