Der Hitzfeld der Moderne

Der eine hat's erfunden, der andere guckt es ab. Jürgen Klinsmann bedient sich der Methoden seines Vorgängers Ottmar Hitzfeld – und lässt die Bayern weiter rotieren.
von  Abendzeitung

Der eine hat's erfunden, der andere guckt es ab. Jürgen Klinsmann bedient sich der Methoden seines Vorgängers Ottmar Hitzfeld – und lässt die Bayern weiter rotieren.

KÖLN Freilich, ein paar Jährchen liegen zwischen ihnen. Das muss der Fairness halber erwähnt werden. Ottmar Hitzfeld, bis Juni Bayern-Trainer, ist 59. Jürgen Klinsmann ist 15 Jahre jünger. Und um einiges impulsiver, wenn es gilt, einen Treffer des FC Bayern zu bejubeln. Bei Hitzfeld war es so: Tor registriert, gelacht, aufgestanden, die Unterarme synchron geschüttelt, dann abgeklatscht mit Assistent Michael Henke. Immer gleich. Bei wichtigen Treffern sprang ihn höchstens noch mal Manager Uli Hoeneß an.

In der Neuzeit wird anders gejubelt: Ohne Regeln. Klinsmann ist unberechenbar. In Köln, beim 3:0, zeigte er die Becker-Faust, zuletzt gegen Hertha einen rekordverdächtigen Luftsprung. Und Hoeneß? Verhält sich noch zurückhaltend, lacht überglücklich und wartet, bis sein Trainer mit ihm abklatscht.

Ein Abklatsch war das Spiel vom Samstag. Eine Kopie, eine gute Kopie allemal. Denn nur im Feiern unterschied sich der Auftritt der Bayern von dem Bild, das die Mannschaft in der vergangenen Double-Saison abgegeben hatte – unter Klinsmanns Vorgänger Ottmar Hitzfeld. Der Jüngere imitiert den Älteren. Er setzt zwar eigene Akzente (etwa die neu eingeführte Dreierkette mit Lucio, van Buyten und Abwehrchef Demichelis statt der starren Viererkette). Doch ist Klinsmann der Hitzfeld der Moderne.

Wenn man im Internet die Begriffe „Rotation’“ und „Hitzfeld“ bei Google eingibt, erhält man 7140 Ergebnisse. Der Ex-Coach gilt als Erfinder der Methode, Spieler mal reinzuwerfen, dann wieder draußen zu lassen – ohne dabei stets Fitness und Laune der Profis aus dem Auge zu verlieren. In Köln ließ Klinsmann überraschend Mark van Bommel draußen, den Kapitän. Eine Strafmaßnahme nach dessen Gelb-Roter Karte in Dortmund? „Nein, nein“, versicherte der Holländer, „das war mit dem Trainer abgesprochen. Ich hatte mit meiner Nationalelf zwei Mal 90 Minuten gespielt, also haben wir uns auf eine Pause für mich geeinigt – mit Blick auf Bukarest und Bremen.“

Am Mittwoch feiert der FC Bayern sein Comeback auf der großen Bühne Champions League, am Samstag kommt zum Wiesn-Auftakt Werder in die Allianz Arena. „Ich habe jetzt die angenehme Situation, zwischen Leuten entscheiden zu können, das werde ich spielbezogen tun“, erklärte Klinsmann und kündigte für die kommenden Wochen mit sechs Partien bis zum 4. Oktober eine „gewisse Rotation“ an, „um diesen Spielrhythmus qualitativ bestens zu überbrücken“. Weil die Partie in Köln mit dem 2:0 nach einer Stunde entschieden war und zum öffentlichen Training vor 50000 Zuschauern geriet, brachte Klinsmann noch die Neuzugänge Oddo und Borowski. Beide hatten mit einem Einsatz von Beginn an gerechnet, so wurden sie wenigstens etwas entschädigt. Am Mittwoch soll Oddo von Beginn an ran.

Eine weitere Parallele zu Hitzfeld: Klinsmann zeigt Härte, vertraut auf Klose, ist knallhart zu Podolski. Ein Fingerzeig für die Profis: Mit dem Trainer ist nicht zu spaßen. Das kennen sie schon. Von Hitzfeld.

Patrick Strasser

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