"Der heilige Hain ist entweiht"

Der IOC-Chef Jaques Rogge lehnt einen Olympia-Boykott ab und lobt die Sponsoren. Auch sonst bemühen sich die Verantwortlichen, sich die Feier nicht verderben zu lassen. Der Fackellauf, Olympia und die Tibet-Krise, die wichtigsten Fragen und Antworten.
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Protest im Heiligen Hain: Ein „Reporter ohne Grenzen“ wird abgeführt, vorne spricht Pekings Olympia-Boss Liu Qi.
ap Protest im Heiligen Hain: Ein „Reporter ohne Grenzen“ wird abgeführt, vorne spricht Pekings Olympia-Boss Liu Qi.

OLYMPIA - Der IOC-Chef Jaques Rogge lehnt einen Olympia-Boykott ab und lobt die Sponsoren. Auch sonst bemühen sich die Verantwortlichen, sich die Feier nicht verderben zu lassen. Der Fackellauf, Olympia und die Tibet-Krise, die wichtigsten Fragen und Antworten.

Drei Demonstranten kamen durch, trotz der großen Sicherheitsvorkehrungen in Olympia. Einem Trio der „Reporter ohne Grenzen“ gelang es, die Entzündungszeremonie der Olympischen Fackel zu stören. Während der Rede von Pekings OK-Chef Liu Qi stürmten die Protestler den Heiligen Hain und zeigten eine Fahne. Darauf zu sehen: Die Olympischen Ringe als Handschellen und der Satz: „Boykottiert das Land, das die Menschenrechte mit Füßen tritt.“

Das griechische Fernsehen, das die Bilder in alle Welt sendete, blendete sofort weg. Solche Störungen wollten sie nicht zeigen. Und auch sonst bemühten sich die Verantwortlichen, sich die Feier nicht verderben zu lassen. Der Fackellauf, Olympia und die Tibet- Krise, die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was sagt das IOC?

Am Sonntag äußerte sich der IOC-Präsident erstmals zu Tibet. „Wir verfolgen die Ereignisse mit großer Sorge“, hieß es da, zu lesen war von der Hoffnung, „dass der Konflikt friedlich beigelegt werden kann.“ Klare Worte fehlten, auch gestern nicht, bei der Zeremonie im Heiligen Hain von Olympia. Von Tibet kein Wort, dafür verneigte er sich vor dem Hauptsponsor des Fackellaufs: „Danke an Coca- Cola.“ Eine Äußerung, die für Empörung sorgte. Die Sprecherin der „Tibet-Initiative Deutschland“ (TID), Ingeborg Schnetzer, sagte später der AZ: „Das ist unfassbar. Dadurch ist der Heilige Hain entweiht, eine ganz schlimme Profanisierung. Eine Kränkung aller Menschen, die noch an das Olympische Ideal glauben.“ TID-Chef Wolfgang Grader forderte sogar die Verlegung der Spiele: „Das IOC muss Peking die Olympischen Spiele aufgrund der Menschenrechtslage in Tibet entziehen.“

Wie äußert sich der Deutsche Olympische Sportbund?

Der DOSB lehnte gestern einen Boykott kategorisch ab. „Die Rolle des Sports ist die Förderung des Dialogs und der Verständigung“, hieß es in einer Erklärung.

Was sagt die Politik?

Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel und FDP-Chef Guido Westerwelle lehnen einen Boykott ab. Differenzierter äußerte sich Hans-Gert Pöttering (CDU), der Präsident des Europa-Parlaments, der einen Dialog Pekings mit dem Dalai Lama forderte: „Bleiben Signale der Verständigung aus, halte ich Boykottmaßnahmen für gerechtfertigt.“

Was sagen die Sportler?

Sie lehnen einen Boykott ab. „Der Sport soll Völker verbinden“, sagte Ski-Olympiasiegerin Rosi Mittermaier am Montag der AZ, „er darf nicht politisiert werden.“ Auch der Münchner Triathlet Faris al- Sultan, der nicht am Olympischen Triathlon teilnimmt, ist gegen einen Boykott, sagt aber: „Ich hoffe, dass die Sportler den Chinesen ihre Meinung sagen. Ich wünsche mir auch einen offiziellen Protest des IOC gegen die Vorfälle in Tibet.“ Fecht-Olympiasieger Matthias Behr (siehe Interview unten) plädiert für eine Straffung des inszenierten Zeremonienprogramms.

Geht der Fackellauf wie geplant weiter?

Bisher ja. Über 137 000 Kilometer soll die Fackel bis zum 8. August zur Olympia-Eröffnung nach Peking getragen werden, unter anderem auch durch Tibet. Gestern trugen in Griechenland auch Rennfahrer Hans-Joachim Stuck, Hockey- Olympiasiegerin Nadine Ernsting-Krienke und Trainer Felix Magath die Fackel. Der Wolfsburg-Trainer als Repräsentant von Volkswagen.

Wie ist die Lage in Tibet?

Laut TID dramatisch. Mehrere große Klöster sollen dort von der Wasser- und Nahrungsversorgung abgeschnitten sein. „Hier droht eine humanitäre Katastrophe“, so TID-Chef Grader. n Wie ist die Lage in China? Auch hier regt sich Kritik. In einem offenen Brief beschuldigten 29 Autoren, Professoren, Anwälte und Journalisten die Regierung, schwere Fehler gemacht zu haben. Filmemacherin Tang Danhong schrieb in einem Internet- Blog: „Wir kennen keine anderen Mittel als Waffen und Geld, kulturelle Zerstörung und geistige Vergewaltigung, um Harmonie zu erreichen.“ Unterdessen wurde am Wochenende der Bürgerrechtler Yang Chunlin zu fünf Jahren Haft verurteilt. Er hatte sich in einem Brief für mehr Menschenrechte ausgesprochen. Die Justiz sah dies als „Untergrabung der Staatsmacht“. Davon war am Montag in Olympia nicht die Rede. Von Coca- Cola schon.

Florian Kinast

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