Der gereifte Simon Schrempp

Der deutsche Biathlet Simon Schempp spricht mit der AZ über sein gewachsenes Selbstvertrauen, über sein Vorbild Björndalen und seine WM-Ziele. Der 27-Jährige gewann 2015 WM-Gold im Mixed und mit der Staffel, 2014 holte er in Sotschi olympisches Silber mit dem deutschen Team.
AZ: Herr Schempp, sechs Ihrer bislang acht Einzelsiege im Biathlon konnten Sie 2015 verbuchen. Was haben Sie in diesem Jahr anders, besser gemacht?
Simon Schempp: Schwer zu sagen. Man wird älter, reifer, trainingsverträglicher. Riesen-Sprünge sind eigentlich nicht mehr zu erwarten, aber schon ein kleiner Sprung macht auf diesem Spitzen-Niveau in der Platzierung viel aus. Wenn ich auf zehn Kilometern nochmal zehn, 15 Sekunden schneller laufe, ist das vielleicht kein fünfter Platz, sondern das Podium, vielleicht sogar der Sieg.
Laufen Sie denn in diesem Jahr schneller, oder sind Sie einfach am Schießstand souveräner?
Man muss schon sehen, dass in dieser Saison – außer bei einem Rennen – bisher alles super funktioniert hat, dass ich sehr stabil war. Aber die Saison ist noch lang – sicher werden auch schlechtere Rennen kommen. Denn ständig auf dem Podium zu stehen, ist verdammt schwer. Da dürfen einem keine Fehler passieren, gerade am Schießstand. Jeder ist mal ein bisschen müde, auch im Kopf, und dann machen ein, zwei Fehler gleich sehr viele Platzierungen aus.
Körper oder Kopf - was ist wichtiger?
Sie sprachen von der gewachsenen Reife – wie stecken Sie ein Negativ-Erlebnis wie die acht Fehlschüsse im zweiten Rennen in Östersund weg? Wird man da nach sechs Jahren im Weltcup gelassener?
Durch gute Ergebnisse entwickelt man natürlich Selbstvertrauen, glaubt mehr an sich selbst, wird selbstsicherer, konsequenter im Wettkampf, gerade auch am Schießstand. Das ist ein Reifeprozess und geht nicht von heute auf morgen.
Wird im Lauf der Jahre der Körper wichtiger oder der Kopf?
Viele sagen, dass es auch vom Kopf abhängt, aber die körperliche Verfassung spielt schon die größte Rolle. Ein Ole-Einar Björndalen ist zwar mit seinen 41 Jahren sehr erfahren und stark im Kopf, aber das allein würde nicht reichen, wenn er nicht auch noch immer verdammt schnell wäre!
Wie macht er das?
Das ist absolut faszinierend! Der erfolgreichste Biathlet aller Zeiten! Er hat jetzt wieder einen Super-Start hingelegt, ist konstant vorne dabei. Ihn muss man immer auf der Rechnung haben.
Ihr Vorbild?
Auf alle Fälle! Er ist ein Arbeiter, der nichts dem Zufall überlässt. Und dennoch ein nahbarer Typ, mit dem man im Training schon mal eine Runde zusammen läuft. Er war mit ein Grund dafür, dass ich mit dem Biathlon angefangen habe. Als ich mich für diesen Sport entschieden habe, hat er am laufenden Band gewonnen. Und jetzt bin ich auch im Weltcup – und er läuft immer noch! Man muss einfach neidlos anerkennen, dass er sich immer noch auf absolutem Top-Niveau bewegt. Es wird wohl keinen anderen mehr geben, der mit bald 42 noch so im Weltcup unterwegs ist.
Der Spitzensportler aus dem Anti-Wintersport-Mekka
Ihr Vater war ebenfalls Biathlet, ansonsten ist Ihre Heimat Uhingen bei Göppingen ja nicht gerade ein Wintersport-Mekka...
Nicht wirklich. Ich bin früher Skirennen gefahren, mit enormem Aufwand: Das nächste Skigebiet ist zwei Stunden entfernt. Biathlon kannte ich vor allem aus dem Fernsehen, war mal beim Sommer-Biathlon, im Schützenhaus zum Schießen und hab’ mit den Ski-Rollern auf Fahrradwegen trainiert. Als sich die Trainingsgruppe in Uhingen auflöste, bin ich aufs Ski-Gymnasium nach Furtwangen und 2008 dann nach Ruhpolding.
Zum Fischer Fritz. Haben Sie noch Kontakt zu ihm?
Klar. Er ruft auch mal an, wenn es nicht so gut läuft. Nach den acht Fehlschüssen in Östersund war er der Erste, der sich gemeldet hat. In solchen Fällen Zuspruch zu bekommen, ist noch wichtiger als nach guten Ergebnissen.
Wie oft kommen Sie noch zum privaten Skifahren, so ganz ohne Langlaufski?
Ganz, ganz selten und erst nach der Saison – falls im April noch Schnee liegt. Meistens sind das dann Skitouren.
Bitahlon im grünen Winter: "Kenne ich schon"
Gewöhnt man sich eigentlich daran, mitten im Winter ständig im Grünen herumzurennen?
Ich kenne das ja schon aus den vergangenen Jahren. Da war es im Dezember auch fast immer grün, und der Schnee kam dann erst im Januar. Letztes Jahr hatten wir an Weihnachten daheim 15 Grad, wie im Frühjahr. Man findet sich halt damit ab – und skirollern auf den Straßen kann man ja immer noch!
Im März geht’s zur Weltmeisterschaft nach Oslo. Ist nach sieben Staffel-Medaillen bei Olympia und WM diesmal Edelmetall in einem Einzelrennen drin?
Hoffentlich! Aber ich denke schon, dass ich da eine Rolle spielen kann.