Der frostige Gletscherzwist: Nun schießt Ski-Star Thomas Dreßen gegen Felix Neureuther

Vor dem umstrittenen Weltcup-Auftakt in Sölden finden sich zwei der beliebtesten deutschen Wintersportler an entgegengesetzten Polen der Diskussion wieder: Dreßen und Neureuther.
von  Thomas Becker
Felix Neureuther
Felix Neureuther © picture alliance/dpa

Sölden - Endlich gilt die erste Frage mal nicht dem Knie, der großen Baustelle im Athleten-Leben des Thomas Dreßen. Sondern dem Nachwuchs: Ende Juni ist der bald 30-Jährige erstmals Vater einer Tochter geworden. Logisch, dass zunächst Fragen zum Windelnwechseln dran sind. Eine fröhliche Viertelstunde später erlebt man dann aber einen Thomas Dreßen, den man so nicht kennt: Stinksauer ist der Mann mit dem sonst so sonnigen Gemüt. Und das zum Teil auch wegen eines ehemaligen Mannschaftskameraden: Felix Neureuther.

Dessen Name fiel im Gespräch mit den Reportern nicht, aber jeder wusste, wer gemeint war, als Dreßen bei der Einkleidung des Deutschen Skiverbands lospolterte: "Ich höre so viele negative Sachen über den Skisport generell, dass mir das mittlerweile ziemlich auf den Keks geht, wie sich da manche äußern, auch Ex-Sportler. Damit macht man unsere Leidenschaft schlecht, und man macht es den Kindern auch schlecht. Kinder, die aus dem Skiurlaub heimkommen, werden als Klimazerstörer hingestellt: Das kann's doch nicht sein! Einmal nach Mallorca fliegen hat denselben CO2-Ausstoß wie 40 Tage Skifahren – da sollten sich mal die hinterfragen, die zum Saufen zum Ballermann fliegen."

Thomas Dreßen zeigt sich genervt – unter anderem von Felix Neureuther.
Thomas Dreßen zeigt sich genervt – unter anderem von Felix Neureuther. © picture alliance/dpa

Felix Neureuther: "Ist es zeitgemäß, mitten im Sommer Ski zu fahren?"

Ex-Teamkollege Felix Neureuther hat unlängst mit "Das Erbe der Alpen" ein Buch vorgestellt, worin er sich auch mit der Zukunft des Wintersports beschäftigt. Der "brutale" Aufwand, den sie auf dem Rettenbachgletscher in Sölden für die Ausrichtung der Riesenslalom-Rennen (28./29. Oktober) betreiben, "ist es meines Erachtens nicht wert", sagte der erfolgreichste deutsche Weltcup-Fahrer: "Das steht in keiner Relation." Die Frage, was ihn vom Benutzer und Zerstörer der Bergwelt zu deren Bewahrer und Beschützer werden ließ, beantwortet er mit rhetorischen Gegenfragen: "Ist es zeitgemäß, mitten im Sommer Ski zu fahren? Muss man am Gletscher rumbuddeln, damit ein Skirennen stattfinden kann?"

Neureuther bezog sich dabei auf die Arbeiten mit schwerem Gerät an einer neuen Abfahrtspiste in Zermatt, wo der Weltcup im November Station macht, und auf Baggerarbeiten und Sprengungen am Rettenbachferner, die notwendig geworden waren, nachdem sich die Gletscherzunge weiter zurückgezogen hatte. Naturschützer sprechen von einer "Katastrophe", Jack Falkner von den Söldener Bergbahnen beteuert, es handele sich um normale Sanierungsarbeiten aufgrund des Gletscherrückgangs: "Wir sind nicht die Verursacher dieser Situation. Wir sind kleine Spieler. Die Natur macht mit uns, was sie will."

Thomas Dreßen schießt zurück: "Instandhaltungsarbeiten für die Piste, im Sinne der Nachhaltigkeit"

In diese Kerbe schlug nun auch Dreßen, dessen Werbepartner seit Jahren gut sichtbar auf der Baseballkappe prangt: Sölden. "Das waren Instandhaltungsarbeiten für die Piste, im Sinne der Nachhaltigkeit des Skisports, nicht speziell des Rennlaufs. Das vergisst man ja gern immer", so der DSV-Star, "wir Rennsportler profitieren natürlich auch davon, aber in erster Linie haben die Söldener das für den Publikums-Skilauf gemacht. Man muss froh sein, dass es solche Skigebiete noch gibt, die sich um den Sport scheren. Wir Athleten müssen zum Skifahren – das ist ja unser Job."

Beim Riesenslalom-Weltcup schwenken einige Zuschauer Fahnen im Gletscherstadion. (Archivbild)
Beim Riesenslalom-Weltcup schwenken einige Zuschauer Fahnen im Gletscherstadion. (Archivbild) © picture alliance/dpa/APA

Die Diskussion um den Zeitpunkt des Weltcup-Starts ist fast schon so alt wie der Weltcup selbst. Zuletzt hatte auch Marktführerin Mikaela Shiffrin die Terminierung kritisiert: "Bis zu welchem Grad sollen wir unsere Umwelt an einen Zeitplan anpassen, den wir haben wollen? Oder sollten wir unsere Zeitpläne an die Umwelt anpassen?"

Zurück zum Sport: Für die Saison, die für Dreßen am 11./12. November mit den Rennen am Matterhorn beginnt, fühlt sich der zuletzt oft durch Verletzungen Gebremste gerüstet: "Gesundheitlich bin ich zufrieden." Auch was "das Fahrerische angeht, bin ich besser als letztes Jahr. Ich suche schon wieder das Limit". Und dann ist da noch die Tochter: "Mir hat das einen schönen Schub gegeben, was die Motivation angeht. Sie ist ein Traum, sie ist brav, sie schläft – von der könne man zwei oder mehr haben." Da ist so was wie der Gletscherzwist ganz weit weg.

merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.