Der fliegende Zahnarzt verordnet Zucker – für Gold

Beredt und gut gelaunt plant Vielfältigkeitsreiter Hinrich Romeike den ersten deutschen Triumph bei den Spielen.
von  Abendzeitung

Beredt und gut gelaunt plant Vielfältigkeitsreiter Hinrich Romeike den ersten deutschen Triumph bei den Spielen.

HONGKONG Der Hoffnungsträger ist schon ziemlich alt. Und Zahnarzt. Vielseitigkeitsreiter Hinrich Romeike (45) hat am heutigen Dienstag beste Chancen, die erste Goldmedaille für Deutschland bei diesen bisher so kargen Spielen zu gewinnen. Um 13.15 Uhr deutscher Zeit beginnt in Hongkong mit dem Springen die dritte und entscheidende Prüfung der Vielseitigkeitsreiter.

Nach Dressur und Gelände liegt Romeike mit seinem Pferd Marius vor seiner Teamkollegin Ingrid Klimke auf Abraxxas auf Rang eins. Auch in der Mannschaftswertung führt Deutschland; die Aussichten auf Doppel-Gold sind also blendend. „Die Tür ist halb zu. Nun hauen wir die Nägel drauf“, sagte Bundestrainer Hans Melzer.

Ganz so einfach wird es wohl aber nicht werden. Deutschland hat vor der letzten Wertung einen Vorsprung von 3,90 Minuspunkten auf Australien. Jeder Springfehler wird mit vier Punkten gewertet. Ein Fehler mehr als die Australier – und Deutschland hätte wieder nur Silber.

Etwas komfortabler ist dagegen der Vorsprung Romeikes. Kein Wunder, dass sich der Zahnarzt aus dem schleswig-holsteinischen Rendsburg gestern nach der wohl besten Geländeprüfung seines Lebens ziemlich locker gab. Er versuchte zwar noch tapfer, vor zu viel Euphorie zu warnen. Schließlich sei Vielseitigkeitsreiten „nicht wie beim Moped, wo man 90 PS an die Kette nagelt, einmal aufreißt und dann läuft die Karre 220 Sachen.“ Aber sein breites Grinsen und seine strahlenden Augen deuteten anderes an. „Es gibt tolle, ganz tolle und supertolle Medaillen“, sagte er dann noch – und prustete laut los.

Zumal selbst die meisten Konkurrenten Romeike den Sieg gönnen würden. Nicht nur, weil ihm und der deutschen Mannschaft 2004 die eigentlich schon gewonnene Goldmedaille versagt worden war: Bettina Hoy hatte einen Fehler wegen der Unachtsamkeit eines Zeitnehmers nicht mehr korrigieren dürfen. Statt Gold gab es damals nur Blech – Deutschland wurde Vierter.

Nun soll es mit Romeike an der Spitze besser laufen. „Fliegender Zahnarzt“ nennen ihn die Vielseitigkeitsreiter in Großbritannien, im Mutterland dieser Sportart, bewundernd. Denn Romeike ist Amateur, der hauptberuflich tatsächlich noch praktiziert.

Ob er seinen Patienten beim Bohren auch solche Sprüche präsentiert wie gestern den staunenden Journalisten im Hongkonger Reitstadion?

Denn Sprüche klopfen, das kann Romeike mindestens ebenso gut wie durchs Gelände reiten. Auf die Frage, ob er soeben einen perfekten Ritt hingelegt hätte, antwortete er, bierernst: „Beim Reiten läuft es nie perfekt, weil es eine Partnerschaft ist. Das ist wie beim Tanzen. Da fühlt sich die Tanzpartnerin auch jeden Tag anders an.“ Seine Partnerin, oder in diesem Fall, Partner – weil ja sein Hannoveraner Marius ein Hengst ist – bekomme nun nach dem Ritt zur Belohnung „wie jeden Tag Wurzeln und Hafer, dazu wie fast jeden Tag Rübenschnitzel.“ Und dann ergänzte er. „Vielleicht noch ein Stück Zucker.“ Für Gold eben.

Naschen darf aber nur das Pferd. Denn Romeike muss momentan ohnehin auf Süßes verzichten. „Seit sechs Tagen läuft mir der Schweiß hinten rüber“, sagte er, „seit drei Tagen esse ich Kohletabletten, seitdem ist der Schweiß schwarz. Ich werde jetzt aber nicht noch anfangen, Rübenschnitzel zu essen.“ Auch nicht für Gold?

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