„Der Felix schafft das auch ohne mich“

Alois Vogl (36), lange Jahre Deutschlands bester Slalomspezialist, über sein neues Leben nach der Karriere – und die Zukunft von Freund Neureuther.
von  Abendzeitung
"Wir sind wie Brüder": Der 24-jährige Felix Neureuther (l.) und Alois Vogl (36.)
"Wir sind wie Brüder": Der 24-jährige Felix Neureuther (l.) und Alois Vogl (36.) © Minkoff/Augenklick

Alois Vogl (36), lange Jahre Deutschlands bester Slalomspezialist, über sein neues Leben nach der Karriere – und die Zukunft von Freund Neureuther.

Von Florian Kinast

AZ: Am Sonntag gibt es in Finnland den ersten Slalom der neuen Alpinsaison. Sagen Sie uns doch bitte, wo Sie dann sind, Herr Vogl.

ALOIS VOGL: Daheim vor dem Fernseher. Ich schau mir das freilich an, aber wie es mir dabei gehen wird, ich weiß es nicht. Seltsam wird das sicher sein, wenn ich merke, dass ich da jetzt nicht mehr dabei bin. Aber eigentlich geht es mir insgesamt gut. Sehr gut sogar. Im Prinzip bin ich todfroh, dass es jetzt vorbei ist. Es war an der Zeit für mich, aufzuhören.

War sicher ein schwerer Entschluss.

Ja. Aber es hat einfach keinen Sinn mehr gemacht.

Und wann kam die Erkenntnis?

So im September. Im Sommertraining ging’s ja noch ganz gut. Aber dann, beim Skifahren, da habe ich gemerkt, hoppala, da fehlt was. Es ist körperlich nicht mehr so geflutscht, wie das sein müsste. Früher, wenn wir einen Trainingslauf hatten, da wollte ich immer Vollgas runterfahren. Und jetzt war es auf einmal so, dass wir an den Hang hingefahren sind, ich oben stand, runtergeschaut habe und mir auf einmal gedacht habe: Leck mich, das ist jetzt nix für dich. Das wird jetzt ganz schön schwierig. So was hat es vorher nie gegeben. Das hat mich sehr frustriert. Da muss man halt dann auch einsehen, dass es nicht mehr funktioniert.

Die Folgen Ihrer langjährigen Krankheit, als Sie immer wieder mit ihrer bakteriellen Darmentzündung zu kämpfen hatten.

Und das Alter lässt halt auch nichts aus. Aber das wollte ich lange nicht wahrhaben. Ich bin ja erst spät richtig gut geworden. Meine fünf Stockerlplätze, mein Sieg in Wengen 2005, Dritter nochmal 2007 in Kitzbühel. Und das alles mit der Krankheit, da habe ich mir selber immer gesagt: Herrschaftszeitn, wenn du aufs Stockerl fährst und gar nicht fit bist, was wäre möglich, wenn du gesund bist. Das ist ja Wahnsinn. Das hat mich weiter angetrieben. Aber jetzt habe ich gesehen, dass mir die Kraft ausgeht, dass ich da vorne nicht mehr hinkomme. Und bloß noch einen Winter dabei sein, nur damit ich hinterherfahr, so lustig ist das dann ja auch nicht.

Sind Sie denn wenigstens wieder gesund?

Absolut. Die Krankheit ist weg, nur haben die letzten zwei, drei Jahre einfach zu viel Grundsubstanz gekostet. Das einzusehen, das fällt halt schwer. 20, 25 Jahre dreht sich dein Leben ums Skifahren und dann machst auf einmal Schluss. Die Gedanken und die Unsicherheit, was jetzt werden wird, das beschäftigt dich schon. Aber das hat doch jeder mal, wenn er in seinem Leben seinen Beruf wechselt und einen neuen Lebensabschnitt beginnt. Oder liege ich da falsch?

Keineswegs. Und was kommt bei Ihnen jetzt?

Ich bin ja noch bei der Bundespolizei in der Sportschule Bad Endorf angestellt, darum habe ich jetzt keine großen Sorgen. Wie mein Dienst da aussehen wird, ist noch unklar, im Moment ist das so eine Übergangsphase. Ich hoffe, dass sich was bei mir daheim in der Nähe findet. Und dann schauen wir weiter.

Wie wäre es mit einer Rückkehr in den Skizirkus als Trainer?

Kann gut sein, dass ich in ein paar Monaten Lust darauf bekomme, den jungen Burschen mal was weiterzugeben, und ich vielleicht wirklich überlege, Trainer zu werden. Aber im Moment möchte ich Abstand haben. Ich mag jetzt erst einmal leben. Ich mag mich um nix kümmern müssen. Ich werde Ende Januar zum Weltcup nach Garmisch fahren, da gibt es vom Verband dann auch die offizielle Verabschiedung, ansonsten halte ich mich erst einmal raus. Ich genieße es auch, daheim zu sein, meine Tochter in der Früh in die Schule zu bringen und sie mittags wieder abzuholen. Diese ewige Umeinanderreiserei den ganzen Winter lang, wenn es nicht mehr läuft, vergeht dir da der Spaß.

Ihrem langjährigen Zimmergenossen Felix Neureuther ist der Spaß aber auch gerade deswegen vergangen, weil Sie aufgehört haben. Er trauerte und sagte, Sie seien sein großer Bruder gewesen.

Und er war mein kleiner. Brüderlich war es, das ist richtig. Wir haben uns wahnsinnig gut verstanden, so unterschiedlich wir waren. Er war so ungezähmt, den hast du kaum bremsen können, der hat immer Vollgas gegeben.

Deswegen ist er auch so oft rausgeflogen. Was trauen Sie ihm denn jetzt zu?

Alles.

Dann schafft er also in dieser Saison endlich seinen ersten Sieg?

Einem Sieg vom Felix steht aber schon gleich gar nichts mehr im Weg, nur planen kannst du das nicht. Da gehört auch brutal viel Glück dazu, da muss alles zusammenpassen. Und wenn es heuer nicht klappt, dann darfst ihn auch nicht verdammen, dann klappt’s halt im nächsten Jahr. Skifahren kann er ja, wenn er das noch verfeinert und konstanter wird, dann dauert das nicht mehr lang.

Zumindest seriöser ist er schon geworden, er ist ja viel weniger Kindskopf als in den letzten Jahren.

Das stimmt, er hat mächtig dazu gelernt, der Felix ist enorm gereift. Die letzten Jahre waren ein wahnsinniger Stress für ihn, aber das hat er sehr gut gemeistert. Jetzt ist er schon so weit, dass er so einen Alten wie mich nicht mehr braucht.

Das heißt, der Felix ist jetzt flügge geworden? Sie können Ihren kleinen Bruder jetzt guten Gewissens allein durch die Welt reisen lassen?

Das kann ich wirklich. Als für mich feststand, dass ich aufhöre, habe ich den Felix angerufen. Er war völlig baff und hat gesagt: „Hey, spinnst du. Ich bin doch noch nicht so weit. Du kannst mich doch nicht allein lassen.“ Da habe ich ihm gesagt: „Felix, red keinen Schmarrn, das passt bei dir schon lang.“ Ich bin mir sicher, der Felix schafft das auch ohne mich. Den Felix kann keiner mehr aufhalten. Höchstens er sich selbst.

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