„Der Bursche erdrückt alle“

Ex-Weltmeister Henry Maske, der Gentlemandes Boxens, verteidigt den russischen Giganten Walujew – und geht mit dessen WM-Gegner Haye hart ins Gericht: „Die Sprüche sind unakzeptabel.“
von  Abendzeitung
Viel Masse: Weltmeister Nikolai Walujew, der am Samstag seinen Titel gegen David Haye verteidigt.
Viel Masse: Weltmeister Nikolai Walujew, der am Samstag seinen Titel gegen David Haye verteidigt. © dpa

Ex-Weltmeister Henry Maske, der Gentlemandes Boxens, verteidigt den russischen Giganten Walujew – und geht mit dessen WM-Gegner Haye hart ins Gericht: „Die Sprüche sind unakzeptabel.“

AZ: Herr Maske, am Samstag steigt im Boxring der klassische Kampf David gegen Goliath. Ex-Cruisergewichtler David Haye fordert Weltmeister Nikolai Walujew, der 22 Zentimeter größer und 40 Kilo schwerer ist. Hat Haye in seinem boxerischen Arsenal auch die Steinschleuder, um Walujew zu besiegen?

HENRY MASKE: Ich bin da vorsichtig. Was Herr Haye bis jetzt geleistet hat, ist, sich spektakulär in die Öffentlichkeit zu bringen. Diesen Stellenwert im Ring nachzuweisen, konnte er bisher nicht. Monte Barrett, den er vor einem Jahr im Schwergewicht besiegt hat, ist sicher kein Prüfstein um zu sagen, Haye ist so weit. Ich bin selbst gespannt.

Wie würden Sie die so ungleichen Kämpfer beschreiben?

Walujew hat sich im letzten Jahr für mich deutlich entwickelt, er kontrolliert den Gegner besser, führt diesen schneller an dessen eigene Schwächen ran. All das sieht wirklich bewusst herbeigeführt aus. Natürlich ist allen Experten klar, dass wir hier über ein Niveau reden, das boxerisch nicht zum absolut besten gehört. Mit diesem Anspruch ist er sicher auch nie angetreten.

Wenn er nicht diesen gigantischen Körper hätte, wäre er sicher nicht Weltklasse.

Ganz klar. Aber die Situation beim Boxen ist die, dass alles ins Zeug gelegt wird, was man hat. Es gibt Leute, die haben höchste boxerische Fähigkeiten, aber keine Schlaghärte. Es gibt Leute, die haben konditionelle Fähigkeiten, aber keine Technik. Jeder hat seine Stärken. Nikolai hat ohne Frage seine Stärken. Und wenn sie nur in der Größe und dem Gewicht liegen sollten, so ist es schon erstaunlich, was er daraus gemacht hat. Das muss man anerkennen. Ich will ihn nicht kritisieren, er hat das gleiche Recht wie alle zu boxen und seine Stärken einzusetzen. Man sollte Walujew nicht vorwerfen, dass er so groß ist und das einsetzt, man wirft Haye auch nicht vor, dass er so schnell ist und das einsetzt. Wem Walujews Art des Boxens nicht gefällt, der muss ihn eben schlagen. Und das muss Haye am Samstag erst mal tun.

Kann Haye das?

Ruslan Chagaev – und zu einem gewissen Grade auch Evander Holyfield – haben ja vorgemacht, wie man Nikolai schlagen kann. Aber Haye muss erst zeigen, dass er dazu in der Lage ist, ob er diese Klugheit besitzt. Die Frechheit besitzt er auf jeden Fall, ob er auch die Klugheit besitzt, da bin ich gespannt. Denn wenn Walujew seinen Körper einsetzt, er sein Gewicht ins Spiel bringen kann, kann kein Boxer vom Gewicht eines Nicht-Walujews auf Dauer standhalten. Der Bursche erdrückt sie alle.

Sie sprachen Hayes Frechheit an. Er hat Walujews als „stinkenden Freak“ der eine "Körperrasur" bräuchte. Was halten Sie von den Aussagen?

Als Gentleman wird Haye wohl nie in die Geschichte eingehen. Für mich sind seine Sprüche vollkommen unakzeptabel. Vollkommen! Von meiner Seite aus, ist das ganz klar unter Niveau. Ich mag das nicht. Aber man muss sagen, gerade im Schwergewicht, wo viele Gegner nicht immer die große Klasse haben, leben die Kämpfe eben auch vom Ballyhoo. Haye hat mit seinen Aktionen gegen die Klitschkos...

Etwa, die T-Shirts mit den geköpften Klitschkos...

Genau, er hat die Frechheit, oder den Mut, wie immer man es sehen will, mit Aktionen, die weit unter der Gürtellinie waren, eine Aufmerksamkeit zu erzeugen, die es sonst nicht gegeben hätte. Wenn man es positiv sehen wollen würde, macht Haye Entertainment. Dadurch hat er es geschafft, dass der Kampf gegen Wladimir die Schalke-Arena ausverkauft. Das hätte man mit Ruslan Chagaev, der für den verletzen Haye einsprang, auf keinen Fall geschafft. So denke ich, dass Wladimir und Vitali diese Aktionen ganz dankbar entgegen genommen haben. Ich denke, sie können gut damit leben.

Der legendäre Box-Trainer Emanuel Steward, der Wladimir Klitschko betreut, meinte Haye, erinnere ihn mit seinen Sprüchen an den jungen Muhammad Ali.

Steward war damals sicher bewusster dran als ich, daher kann ich nicht sagen, dass es nicht stimmt. Für mich hatte Ali natürlich einen großen Mund gehabt, aber – und das ist ein Riesenunterschied – er konnte sich das leisten. Was er gesagt hat, hat er auch gemacht! Diesen Beweis ist Haye für mich bisher schuldig geblieben. Wenn Ali gesagt hat, „ich bin der Beste, ich knocke dich aus“, dann war es auch so! Und viele seiner Dinge sagte er auch mit einem gewissen Augenzwinkern, das sehe ich bei Haye bisher nicht.

Zeigt dieses Ballyhoo, den Zustand in dem sich das Schwergewichtsboxen befindet? Dass man solche Sprüche braucht, weil man die Kämpfe über die Leistung nicht verkaufen kann?

Es gab immer Kämpfe, die ihre Versprechen nicht halten konnten. Die wird es immer geben. Das ist nicht neu. Klar, gab es neben Ali auch noch Frazier, Foreman oder Norton. Aber auch sie haben nicht ständig gegeneinander geboxt. Heute haben wir mehre Boxverbände. Das macht es bei der „dünnen Decke“ noch schwieriger. Schon vor Jahren war mir klar, die Klitschkos werden das Schwergewicht dominieren, wenn sie es richtig angehen. Das tun sie, denn ein Arreola und so, die werden ihnen nicht gefährlich. Mich enttäuschen Boxer mit einer derartigen körperlichen Verfassung. In jeder anderen Gewichtsklasse wäre es undenkbar, dass ein Spitzenboxer so aussieht. Da ist für mich der Anspruch, den ich an diesen Sport habe, nicht erfüllt. Es ist eine Respektlosigkeit gegenüber dem Boxen, wenn ich meinen Körper, der mein Mittel zum Zweck ist, nicht in Schuss halte. Ich finde es auch jeder anderen Sportart respektlos gegenüber, wenn ich so zeige, dass ich nicht bereit bin, für den Sport zu leben.

Haye sagte, der Kampf gegen Walujew sei für ihn leichte, als ein Fight gegen einen der Klitschkos. Stimmen Sie zu?

Schwerer als gegen Klitschko kann es nicht werden. Gegen Walujew kann es nur in den späteren Runden, wenn er sich mit der Masse auseinander setzen muss, eine Qual werden. bei Klitschko, da kommt aber diese Härte dazu. Dazu ist Nikolai nicht so in der Lage, weil er nicht dieses Tempo, diese Härte im einzelnen Schlag hat. Bei Klitschko, wenn ich da nur an Vitalis Comeback gegen Sam Peter denke, da setzt es Schläge, die wollen Sie und ich sicher nicht nehmen.

Interview: Matthias Kerber

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