„Der Box-Terminator“
Ralf Möller ist ein Freund der Klitschko-Brüder, er brachte sie mit Arnold Schwarzenegger zusammen. Hier erklärt der Schauspieler, was die Faustkämpfer und den Gouverneur von Kalifornien verbindet.
AZ: Herr Möller, verraten Sie uns ein Geheimnis, wer ist die berüchtigten 189 supersteilen Treppenstufen in Santa Monica, auch „Stairway to Heaven“ genannt, schneller hochgerannt, Sie oder Ihr Trainingspartner Vitali Klitschko?
RALF MÖLLER: Wenn Vitali mich auf die Schultern nimmt, kommen wir gleichzeitig an. Aber Spaß beiseite. Wenn ich als 50-Jähriger schneller wäre als der amtierende Box-Weltmeister, hätte das Schwergewicht wirklich ein ernsthaftes Problem. Ich kann ganz gut mithalten, das war’s dann aber auch.
Wie fit ist Vitali denn?
Ungemein fit, aber er muss natürlich immer Rücksicht auf seinen angeschlagenen Körper nehmen. Auf seinen Rücken, seine Knie, seine Hüfte, seine Schulter. Sein Bruder Wladimir ist da noch viel extremer – das Extremste, was ich je erlebt habe. Der rast die Stufen zehn, zwölf Mal rauf – unglaublich! Ich habe nie einen fitteren Sportler erlebt. Vitali ist auch sehr fit, und ich denke, das wird den Kampf mitentscheiden.
Was sagen Sie als ehemaliger Bodybuilding-Superstar über die Physiognomien der Boxer?
Das ist gar kein Vergleich. Vitalis Gegner Chris Arreola ist einfach fett. Da kann man in seinem Camp noch so sehr betonen, dass dies bei Arreola nicht so wichtig sei. Man sieht einem Körper an, ob er austrainiert ist – und davon ist Arreola weit entfernt.
Können Sie verstehen, dass ein Profisportler sich so gehen lässt?
Nein, das verstehe ich absolut nicht. Unabhängig vom eigenen ästhetischen Anspruch, dem man vielleicht genügen will, verstehe ich nicht, dass man seinen Körper, das Kapital eines Boxers, so sträflich vernachlässigen kann. Fitness ist der Schlüssel zum Erfolg. Die Klitschkos sind da das Gegenbeispiel, sie sind perfekt austrainiert. Nehmen Sie Wladimir, für mich ist sein Körper perfekt. Beide haben die Figuren griechischer Götter.
Vergleichen Sie als alter Freund die Brüder mal bitte.
Vitali ist ganz einfach der ältere Bruder und damit immer der Leader. Daran hat sich nichts geändert. Er ist der Boss. Vitali gibt den Ton an, er hat auch die entsprechende Coolness und Kontrolle beim Kampf. Er wird nie panisch, verliert nie den Kopf. Bei Wladimir hat sich das auch gebessert, früher jedoch war er schon einmal ein Opfer seiner Nerven, das gab es bei Vitali nie.
Das beste Beispiel ist Vitalis unvergessener Blutkampf an gleicher Stelle, dem Staples Center in Los Angeles, gegen Lennox Lewis.
Richtig, der Kampf mit Lennox, das war der pure Wahnsinn. Das war, als würden zwei Terminatoren aufeinander treffen. Vitali ist für mich sowieso der letzte Box-Terminator. Die haben auf sich eingeknüppelt, keiner ist nur einen Millimeter zurückgegangen, haben sich mit Schlägen bepflastert. Unvergesslich! Wir haben uns nach dem Fight getroffen, und Vitali war unglaublich traurig und wütend, dass der Fight abgebrochen wurde. Aber ich habe ihm gleich gesagt: Du hast den Kampf offiziell verloren. Aber du hast alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt. Anerkennung, Respekt, die Herzen der Fans. Du hast an Größe und Statur gewonnen. Kein Mensch wird diesen Kampf je vergessen, das macht dich zum ewigen Sieger.
Die Boxer sind, Ihrem oscargekrönten Erfolgsfilm entsprechend, die „Gladiatoren“ der Neuzeit.
Das Wort Gladiator wird manchmal inflationär verwendet. Man sagt, dass Läufer oder Footballer Gladiatoren sind. Für mich sind nur die Boxer die echten Nachfolger der Gladiatoren. Du stehst da, halbnackt, wirst geschlagen, man will seinen Gegenüber auf den Boden schlagen, mit Hieben, durch Gewalt, durch Schmerzen.
Vitali macht im Ring eine enorme Metamorphose durch. Vom Mensch zum Kämpfer.
Er ist vom Siegeswillen beseelt. Das ist nicht mehr der lachende, herzliche, Witze erzählende Vitali, sondern nur noch ein eisenharter Kämpfer. Er ist ein knallharter Junge, der auch einem Riesen wie mir Angst machen kann. Wenn der böse guckt, da schlottern mir die Knie.
Sein großes Vorbild ist Arnold Schwarzenegger, der Gouverneur Kaliforniens, einer Ihrer besten Freunde.
Ich habe die beiden mal zusammengebracht. Vitali, der ja in der Ukraine selber politisch aktiv ist, interessiert vor allem die Politik, und Arnold gibt ihm so manchen Tipp. Ich sehe auch viele Parallelen. Beide haben einen eisernen Willen und unglaubliche Zielstrebigkeit.
Arreola stammt aus L.A., sein bester Freund wurde erschossen – dann raten Sie Ihrem Freund Schwarzenegger doch mal, gegen die Waffenlobby vorzugehen!
Es gibt vieles in den USA, was ich ändern würde. Die Waffengesetze müssen restriktiver werden. Man darf sich nicht oben ohne sonnen, aber eine Waffe kann man kaufen. Das versteht man, warum auch immer, in Amerika unter Freiheit. Das Recht, Waffen zu tragen, steht im Grundgesetz aus der Gründerzeit – und ist überholt. Genau wie das Gesetz, dass Arnold nicht Präsident der USA werden kann, weil er dort nicht geboren ist. Er hat den größten Teil seines Lebens dort verbracht, ist Gouverneur, zahlt wie kein anderer Steuern – das gehört aufgeräumt.
Zeit für Terminator Arnie!
Allein hat er keine Chance. Er ist aber, obwohl er Republikaner ist, ein großer Unterstützer von Präsident Obama. Der hat sich von Kalifornien einiges abgeschaut: das Gesundheitssystem, das Schulsystem oder die Umweltpolitik. Da nimmt er gerne Ratschläge an und da ist Arnold auch sein engster Ratgeber.
Auch der Politiker Klitschko macht sich gegen das geltende Waffenrecht stark.
Noch etwas, was die beiden verbindet.
Interview: Matthias Kerber