„Der Beste von allen“

BMW-Pilot Nick Heidfeld wird in Spa zum Champion der letzten zehn Kilometer: Im Regen holt er neue Reifen und wird Zweiter.
SPA-FRANCHORCHAMPS Nick Heidfeld hatte nicht gerade viel Zeit. Er musste eine Entscheidung treffen. Sofort. Schließlich waren sein Helm, sein Oberkörper, seine Beine schon ziemlich feucht. Es hatte zu Regnen begonnen während dieser letzten Runden des Formel-1-Rennens in Spa, und Heidfeld schlich mit seinem BMW mehr über die Strecke als dass er fuhr. Er eierte mehr um die Kurven, als dass er durch sie raste. Und dann traf Heidfeld eine Entscheidung. Er fuhr in die Box, holte sich, anders als alle anderen Spitzenfahrer, Regenreifen. „Es war eine Sekt-oder-Selters-Entscheidung“, erklärte er später seine Gedankengänge in diesen Sekunden, „ich konnte noch viel gewinnen oder der Depp sein.“
Gestern gewann Heidfeld viel. Vor allem Anerkennung. „Nick war heute überhaupt der Beste von allen“, lobte Niki Lauda, der dreimalige Weltmeister und RTL-Experte. „Das war schon ganz gut vom Nick“, sagte sein Chef, BMW-Motorsportdirektor Mario Theissen. Nein, Heidfeld hat auch gestern in diesen letzten, chaotischen Runden in der Kurvenhatz durch die Ardennen nicht sein erstes Formel-1-Rennen gewonnen. Das hätte vielleicht geklappt, wenn’s noch ein paar Runden mehr gewesen wären. Aber Heidfeld hat endlich wieder einmal eine richtige Entscheidung getroffen. Und das ist dem Mönchengladbacher in den letzten Wochen und Monaten eher selten geglückt.
Und auch gestern bekam es der 31-Jährige erst mal wieder mit der Angst zu tun, nachdem er sich zwei Runden vor Schluss. die Regenreifen geholt hatte. „Ich bin rausgefahren und habe in der Box nachgefragt, wie viele Runden noch zu fahren wären. Sie sagten mir, diese Runde und dann noch eine.“ Zehn Kilometer blieben, um aufzuholen. „Aber vor mir waren keine Autos zu sehen. Also dachte ich – falsche Entscheidung.“
Denn er war der einzige Spitzenfahrer, der das Rennen nicht auf Trockenreifen zu Ende fahren wollte. „Ich hatte mir gedacht, dass wohl keiner den Mut haben würde, die Reifen zu wechseln“, sagte er. Hatten sie auch nicht. Und sie verloren den Poker. Denn dann sah Heidfeld plötzlich doch Autos vor ihm. Und Heidfeld überholte. Ein Auto, zwei Autos, drei Autos. Fünf Gegner machte Heidfeld noch nass. Am Ende kam er als Dritter ins Ziel – und erbte nach der zumindest fragwürdigen Zeitstrafe für den Allerschnellsten Lewis Hamilton (siehe unten) sogar noch den zweiten Platz.
Endlich wieder ein Erfolgserlebnis für den 31-Jährigen, dessen Job bei BMW schon seit Wochen akut gefährdet ist. „Ich hoffe, dass ich noch lange davon träumen werde“, sagte er noch. Davon, dass er zehn Kilometer lang wirklich mal der Beste von allen war.
F. Cataldo, H. Wilfort