Der Außerirdische

Der britische Formel1-Star Lewis Hamilton beschert Mercedes in Hockenheim einen viel umjubelten Heimsieg. „Er fährt in einer eigenen Liga“
HOCKENHEIM Es passiert nicht häufig, dass sich Ron Dennis, der oft einsilbig daherkommende und manchmal etwas selbstgerecht wirkende McLaren-Boss, entschuldigt. Und das auch noch in aller Öffentlichkeit vor einem Millionen-Publikum an den TV-Bildschirmen. „Sorry, Lewis", funkte er gestern nach dem Rennen ins Cockpit, „wir haben es dir mit unserer Entscheidung unnötig schwer gemacht."
Doch Lewis Hamilton am anderen Ende der Leitung kicherte wie ein Freude erregtes Kind. „Kein Problem, Ron“, sagte er, als er sich wieder beruhigt hatte, „das hat Spaß gemacht, wirklich", sagte Hamilton, den RTL-Kommentator Niki Lauda gestern „außerirdisch“ nannte, schon mit dem legendären Ayrton Senna verglich, „jedenfalls ist er zehn Mal so gut wie ich in seinem Alter“. Und: „Wenn er so weitermacht, wird er ganz sicher Weltmeister.“
Drei Rivalen hat Hamilton gestern in den letzten Runden des Rennens auf dem Hockenheimring überholt. Zugegeben, sein Teamkollege Heikki Kovalainen ließ ihn ohne großen Widerstand vorbei, doch Felipe Massa im Ferrari und Nelson Piquet im Renault wären natürlich gerne vor dem Silberpfeil-Piloten geblieben. So aber feierte Hamilton zwei Wochen nach seiner Triumph-Fahrt bei seinem Heimrennen in Silverstone gestern den nächsten Sieg – und bescherte Mercedes den ersten Triumph seit zehn Jahren auf der Stammstrecke. Da frohlockte Mercedes-Sportchef Norbert Haug: „Ein sensationeller Sieg von Lewis mit großartigen Überholmanövern. Er fuhr in einer eigenen Liga.“
Hamilton hatte sich schon vorher nicht nur in jedem Interview siegessicher gezeigt, sondern auch eine hervorragende Zeit nach der anderen in den badischen Asphalt geknallt. „Kompliment an McLaren-Mercedes. Sie waren einfach eindeutig die schnellsten hier", sagte BMW-Motorsportboss Mario Theissen.
Trotzdem hatte Hamilton um den Sieg zittern müssen. Schuld waren seine Teamchefs: Die hatten ihn nach dem bösen Unfall des Toyota-Piloten Timo Glock (Seite 24) während der Safety-Car-Phase nicht zum Reifenwechseln an die Box geholt. Bis auf Nick Heidfeld, bei dem diese Strategie aufging und der am Ende, obwohl von Platz 12 gestartet, Vierter wurde, kamen alle anderen Fahrer an die Box.
Hamilton blieb hinter dem Safety-Car, verlor viel Zeit – und seine Führung ein paar Runden später beim dann folgenden Boxenstopp. „Im Nachhinein kann man sagen, dass diese Entscheidung nicht sehr klug war", sagte Haug. Ziemlich nervös sei er gewesen, als immer weniger Runden zu fahren waren und Hamilton den Platz auf der Spitze noch nicht wieder zurückerobert hatte. „Ich hätte es auch lieber gehabt, wenn es ein unkomplizierter Nachmittag vorne an der Spitze geworden wäre", sagte Hamilton. Anders als sein Boss sei er aber „relaxed" gewesen. „Es gab keinen Grund, frustriert oder sauer zu sein."
Nach dem Rennen waren sie sowieso ausgelassen, die Männer von Mercedes. Hamilton jubelte, spritzte Haug ausgiebig mit Champagner und fiel später auch noch Mercedes-Boss Dieter Zetsche um den Hals. „So kann es weitergehen, ich habe gerade richtig viel Spaß", sagte Hamilton noch. Und das brachte dann auch Ron Dennis zum Lachen. Filippo Cataldo