"Demut, Fairness, Sympathie, Charme"
RUHPOLDING Die Biathlon-Weltmeisterschaften sind trotz zahlloser Top-Athleten aus aller Herren Länder die inoffiziellen Magdalena-Neuner-Festspiele. Egal, ob die Wallgauerin nun ihr hoch gestecktes Ziel von sechs Medaillen in sechs Rennen erreicht oder nicht. In 17 Tagen wird sie mit nur 25 Jahren ihre Karriere beenden. Die AZ nennt vor den Rennen am Samstag (15.30 Uhr: Sprint) und Sonntag (16 Uhr: Verfolgung) die Gründe für ihren Erfolg – auch außerhalb der Loipe:
AUSSTRAHLUNG Man muss weder Fan noch Experte sein, um Neuner faszinierend zu finden. Als in der Mixed-Staffel nach dem Blackout von Arnd Peiffer aus Gold Bronze wurde, strahlte sie dennoch in jedem ihrer zig Dutzend Interviews, als hätte sie gerade drei Goldmedaillen auf einmal gewonnen. Ihr bester Kommentar zum verballerten Auftaktgold: „Ich mach’ in dieser Saison alles, was noch nie da war. Egal, ob auf falsche Scheiben schießen (wie beim Weltcup in Nove Mesto, d. Red.) oder eine Bronzemedaille gewinnen.” DSV-Präsident Alfons Hörmann sagt: „Sie ist eine vorbildliche, stets faire, auch selbstkritische Sportsfrau, die alle Tugenden, die man im Sport gerne hätte, mustergültig verkörpert: Fairness, Leistungsorientierung, im richtigen Moment aber auch Demut und Selbstkritik. Sie ist die gelebte sportliche Authentizität und hat, was eine große Persönlichkeit ausmacht: Sympathie, Bodenständigkeit, Charme, Ausstrahlung – Eigenschaften, die Top-Stars von guten Athleten unterscheiden.” Und die sie auch nach der Karriere für Sponsoren interessant machen.
PSYCHE UND PHYSIS Florian Holzer, der Vorsitzende des mehr als 800 Mitglieder starken Magdalena-Neuner-Fanklubs, kann erklären, woher die Ausnahme-Athletin den Großteil ihrer Kraft bezieht: aus dem heimischen Wallgau, der 1400 Einwohner kleinen Gemeinde nahe Garmisch-Partenkirchen im Werdenfelser Land. „Die Magdalena ist halt immer auf dem Boden geblieben, war immer geerdet”, sagt Holzer, „das macht sie psychisch so stark. Und physisch ist sie halt einfach super trainiert.” Wohl wahr: Neuner gehört zu den besten Läuferinnen im Feld und hat sich über die Jahre auch am Schießstand stark verbessert. Sie selbst formuliert es am Tag vor dem Sprint-Rennen so: „In der Loipe war ich in der Mixed-Staffel richtig gut drauf – und auch am Schießstand bin ich mittlerweile erst zufrieden, wenn die Null steht.”
KONSEQUENZ Kurz nach der WM wird Magdalena Neuner kein Biathlon-Profi mehr sein – ein herber Verlust auch für den DSV: „Kein Verband der Welt kann eine Athletin wie Magdalena von heute auf morgen sportlich und auch menschlich ersetzen”, sagt DSV-Chef Hörmann, „natürlich hätten wir sie noch gerne einige Jahre dabei gehabt. Aber eine starke Persönlichkeit zeichnet sich eben auch dadurch aus, dass sie den für sich richtigen Moment definiert und sagt: ,Jetzt hab’ ich das Gefühl, es reicht.’” Man habe schon Gespräche mit Neuner geführt und ihr gesagt, es gäbe für sie keine Position, keinen Bereich im DSV, über den man nicht diskutieren könne, so Hörmann: „Sie sagte, das Freude sie, sie fühle sich geehrt. Aber jetzt muss sie erst mal Abstand gewinnen.” Fanklub-Vorstand Holzer sieht das ganz ähnlich: „Klar ist es traurig, dass sie bald aufhört. Aber sie ist halt ein Familienmensch.”