Demenz-Diagnose bei René Weller: Welche Rolle spielt das Boxen?

Das Leben hat René Weller (67) einen Tiefschlag verpasst, einen Wirkungstreffer, von dem er sich nicht mehr erholen kann - und wird.
Matthias Kerber
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Ex-Boxer René Weller leidet an Demenz.
Ex-Boxer René Weller leidet an Demenz. © dpa

In der Box-Szene, diesem Macho-Metier, in dem man keine Schwächen zeigt, in dem man immer so tut, als würde es einem bestens gehen, als könnte einem die Box-Welt mit seinen Schlägen, aber auch die Welt mit seinen Tiefschlägen nichts antun, wurde schon länger darüber spekuliert, was mit René Weller los ist. Weller, der das Rampenlicht liebte, hatte sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen.

René Weller: Schon länger kein Austausch von Inhalten mehr

Der Blick des jetzt 67-Jährigen war in den letzten Jahren oft stier. Er schien durch die Menschen hindurchzuschauen, die Anmut, die den "schönen René" in seinen Kämpfen oft ausgezeichnet hatte, war aus den Bewegungen gewichen. Er, der zweimalige Europameister, der fünfmalige deutsche Boxer des Jahres, schien die Leute nicht mehr zu erkennen, er redete oft nur noch in Floskeln. Es war kein Austausch von Inhalten, sondern nur noch von Worten.

Maria Weller pflegt ihren Mann aufopferungsvoll

Jetzt offenbarte seine Frau Maria, was hinter den Veränderungen steckt: Das Leben, das Schicksal hat Weller einen Tiefschlag verpasst, einen Wirkungstreffer, von dem er sich nicht mehr erholen kann - und wird. Weller leidet an Demenz. "Als wir die Diagnose vor sieben Jahren bekamen, musste ich weinen. Was ich erlebt habe, ist eine riesige Herausforderung", sagte Ehefrau Maria (64) in "Bild".

2014 hatte Wellers Kurzzeitgedächtnis "schon starke Aussetzer"

Sie pflegt ihn aufopferungsvoll, denn Weller ist auf fremde Hilfe angewiesen. "Inzwischen muss ich die Wohnung immer abschließen", sagte sie: "Vor Wochen ist er aus dem Haus gegangen und fand nicht mehr zurück. Pforzheimer Leute brachten ihn mir wieder."

Wurde als der "schöne René" bekannt: Box-Star Weller. (Archivbild)
Wurde als der "schöne René" bekannt: Box-Star Weller. (Archivbild) © Jörg Schmitt/dpa

Die Diagnose im Jahre 2014 stellte damals Prof. Dr. Walter Wagner, Deutschlands berühmtester Ringarzt, der mit Weller seit vielen, vielen Jahren befreundet ist. "Er konnte sich damals an jedes Detail der Kämpfe von vor 30 Jahren erinnern, aber das Kurzzeitgedächtnis hatte schon starke Aussetzer", sagt Wagner der AZ, "er fuhr - wie er es immer tat - bei mir in der Klinik vor, stellte sich auf den Platz für die Notfallmedizin. Ich sagte ihm, dass er umparken soll. Ein paar Stunden später nach den Tests, rief das Personal bei mir an, dass der Wagen immer noch dasteht. Ich habe René gefragt, warum er es nicht gemacht hat. Er sagte: Wenn du mir nichts sagst, kann ich es auch nicht machen. Er hatte es vollkommen vergessen."

Das große Vergessen, es ist jetzt die traurige Realität im Leben von René Weller. Die Dunkelheit im Kopf wird immer größer, immer tiefer. Ist Wellers Demenz auch eine Folge der vielen Schläge, die Weller in den 55 Profi-Kämpfen (1 Niederlage) und 355 Amateur-Fights (336 Siege) seiner Karriere eingesteckt hat? Nicht wenige Boxer ereilt in ungewöhnlich jungen Jahren das Schicksal Demenz.

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Mediziner Wagner: "Renés Problem war, dass seine Fights oft Materialschlachten waren"

"Es ist sicher nicht auszuschließen, dass die vielen Wirkungstreffer die Entwicklung bei Weller beschleunigt haben. Es gibt Abertausende, die an Demenz erkranken, ohne, dass sie geboxt haben - etwa meine Mutter -, aber so früh, René war ja erst um die 60, das ist sehr ungewöhnlich", sagt der Mediziner Wagner: "Renés Problem war ja, dass seine Fights oft Materialschlachten waren, weil er selber keinen Punch hatte, keine Fliege von der Wand schlagen konnte, deswegen waren seine Kämpfe oft lang und hart. Ich sage immer, dass man nicht mehr als maximal zwei Kämpfe dieser Art im Jahr haben sollte. Der Körper - aber auch das Gehirn - braucht Zeit, sich zu regenerieren, zu heilen. Schläge, die in dieser Reparationsphase des Körpers einschlagen, sind von der Wirkung schlimmer als die Ausgangstreffer. Aber wenn der Mammon ruft, dann stellen viel halt ihre Gesundheit hinten an."

René Weller ließ sich regelmäßig durchchecken

Dabei war Weller in vielen Bereichen vorbildlich. Er ließ sich regelmäßig durchchecken, nahm die Sorgen um seine Gesundheit ernst. Und er wusste, um die Gefahren des Boxsports. "Ich war dabei, wie die ARD-Moderatorin Gabriele Krone-Schmalz vor vielen Jahrzehnten Weller mal gefragt hat, wie es sich denn anfühlt, wenn man dauernd Schläge auf den Kopf kriegt, was da mit einem passiert. René meinte damals ein bisschen scherzhaft: 'Was passiert, wenn man auf einen Apfel draufhaut, er wird an der Stelle braun.' So ähnlich ist es auch mit dem Gehirn beim Boxen. Leider ist es jetzt so gekommen."

Was damals als flockiger Spruch und als Scherz gedacht war, ist jetzt die bittere Realität von Weller. Sein Schicksal ist klar. "Es ist bewundernswert, dass die Maria ihn pflegt, irgendwann aber wird sie es allein schlicht nicht stemmen können. Dann muss sie entweder 24-Stunden-Pflege in Haus kommen lassen oder René muss in ein Pflegeheim, das sich auf Demenzkranke spezialisiert hat. Es ist bitter. Aber so ist die Wahrheit leider sehr oft."

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