"Das zerfrisst einen Verein"

Viele Löwen-Fans fordern den Rücktritt des Präsidenten. Hier spricht Albrecht von Linde über seine Gefühlslage, seine Vorwürfe gegen Ziffzer und Ärger mit den 1860-Sponsoren.
AZ: Herr von Linde, die ARGE, der Dachverband der Löwen-Fans, plädiert nach dem Rauswurf von Geschäftsführer Stefan Ziffzer via Pressemitteilung für Ihren sofortigen Rückzug. In einer AZ-Online-Umfrage fordern 89 Prozent Ihren Rücktritt. Mal ehrlich, lässt Sie das alles kalt?
ALBRECHT VON LINDE: Nein, natürlich nicht. Da müssen wir aber jetzt durch. Das Schlimmste wäre jetzt, wenn wir auch noch einen Präsidenten-Wahlkampf starten. Wir wollen den Verein nach vorne bringen und können das jetzt endlich. Letztlich zählen Taten und Fortschritt. Und dann wird wieder Ruhe einkehren.
Fürchten Sie nicht, der Aufsichtsrat könnte sich gegen Sie und Ihr Präsidium stellen?
Nein. Die Gremien stehen hinter mir und uns.
Was sind jetzt Ihre nächsten Aufgaben?
Wir brauchen unbedingt – und das hat jeder gesehen – Verstärkungen im Kader. Dagegen hat sich Ziffzer immer gesträubt. Wir wollen uns nicht mit dem Zweitliga-Mittelmaß zufrieden geben, sondern wir müssen nach vorne kommen. Dem gilt unsere ganze Aufmerksamkeit.
Herr Ziffzer meinte bis zuletzt, es sei kein Geld für Neueinkäufe da.
Wir werden uns das Budget ganz genau anschauen und versuchen, ob man die notwendigen Mittel nicht durch Umschichtungen hinkriegt. Und klarerweise bemühen wir uns auch um Geldgeber, um stärker aufgestellt zu sein. Wir haben da seit Jahren eine Missproportion.
Erklären Sie das, bitte.
Ich war vor einigen Wochen beim DFB-Pokalfinale in Berlin, da saß ich mit einigen Zweitliga-Präsidenten am Tisch, und da kam heraus: Zwar geben alle zwischen sechs und zehn Millionen Euro aus, aber die Overheads sind bei den anderen Klubs sehr viel geringer. Bei uns fließt nur ein Drittel des Etats in die Mannschaft, der Rest wird für die Geschäftsstelle und Stadion ausgegeben. Das zerfrisst einen Verein finanziell. Und: Wir müssen auch attraktiver werden. Aber so Dinge, die wir alle am Sonntag erlebt haben, waren nicht gerade förderlich.
Als Ziffzer Sie in einer Pressekonferenz als „Schande“ bezeichnet hat.
Was er sich geleistet hat, war unter aller Sau. Das konnte nur diese eine Reaktion auslösen. Das wird ja auch von den Gremien mitgetragen. Das Thema Ziffzer bei 1860 ist erledigt. Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit Dr. Markus Kern.
Ziffzer will gegen seine fristlose Kündigung prozessieren.
Meine Anwälte sagen, dass das eine ganz wasserdichte Sache ist. Ich sehe diesem Prozess mit Interesse entgegen. Wir werden dann die Möglichkeit haben, vor dem Arbeitsrichter Dinge vorzutragen, die eigentlich bisher alle verdeckt geblieben sind. Da sind wir zeugenmäßig ganz gut aufgestellt. Ich denke nur an die Kündigungsposse in münchen.tv. Dadurch hat ein großer Sponsor Abstand genommen.
Waren Sie mit seiner Arbeit denn nicht zufrieden?
Wenn ich die Zeit von Ziffzer jetzt mal zu werten versuche, die zwei Jahre, die er die KGaA als Hauptverantwortlicher geleitet hat, muss ich sagen: 1860 ist weder sportlich noch finanziell vorangekommen.
Finanziell? Ziffzer sagte am Tag seiner Entlassung, dass 1860 wohl das erste Mal seit langem wieder schwarze Zahlen schreiben werde.
Ziffzer hat jede Saison mit drei Millionen Euro Verlust budgetiert, dann gibt’s immer eine Reihe von günstigen Einflüssen. Entweder sind wir im DFB-Pokal weit gekommen, oder es gab Geld aus dem WM-Topf. Aber einen Verein so zu führen, das ist so nicht zukunftsfähig. Die Realität im Kader ist nunmal so: Wer das meiste Geld für den Kader hat, der hat die größte Chance aufzusteigen.
Einige Sponsoren wie Hauptgeldgeber Trenkwalder denken aufgrund der Turbulenzen über einen Rückzug nach. Auch Hacker-Pschorr gilt als einer dieser Kandidaten.
Dieses Szenario, dass nun massenhaft Geldgeber gehen, ist nicht richtig. Bis Mittwochmittag hat es keine einzige Kündigung gegeben. Wenn der Pulverrauch verzogen ist, sieht man alles wieder ein bisschen klarer. Dass Ziffzer immer sagt, ein Sponsoring ist personenbezogen, ist nicht richtig. Die Leute investieren in 1860 und nicht in einen von Linde oder Ziffzer. Wir werden alle mal Geschichte sein. Die Löwen haben 148 Jahre Geschichte – und der Verein lebt noch immer.
Hauptsponsor Trenkwalder hat Sie als Präsident in Frage und Ihnen ein ungeheuerliches Ultimatum gestellt.
Das möchte ich jetzt nicht kommentieren.
Haben Sie nie an Rücktritt gedacht in den letzten Tagen?
Nein, wir haben jetzt die einmalige Chance, 1860 nach vorne zu bringen. Es bricht eine neue Ära an. Wir müssen offen an die Sache rangehen. Das hat Ziffzer bislang immer blockiert.
Interview: Oliver Griss