Das Spiel mit dem Leben

Nach dem Tod des Skicross-Stars Nik Zoricic erhebt Biathlon-Bundestrainer Fritz Fischer, dessen Sohn Thomas ebenfalls am Start war, schwere Vorwürfe gegen die Verantwortlichen
von  Matthias Kerber

Grindelwald - Sie rasten am Samstag nebeneinander die Piste beim Skicross-Weltcup in Grindelwald hinunter. Thomas Fischer, Sohn von Deutschlands Biathlon-Ikone Fritz Fischer, und der Kanadier Nik Zoricic. Fischer verpasste ein Tor, schwang ab – er sah Zoricic (29) davonfahren.

Nur Sekunden später war der Kanadier tot, gestorben bei dem Sport, den er so liebte. Beim Zielsprung war er bei Tempo 100 ungebremst in den Fangzäunen gelandet, alle Wiederbelebungsversuche blieben umsonst. „Als ich die Piste runter bin und sah, wie sich alles um Nik bemühte, wusste ich gleich, da ist was Ernstes passiert”, sagte Tom Fischer, „als wir dann hörten, dass er tot ist, war das ein unglaublicher Schock.”

Tom rief nach dem Todesdrama seinen Vater Fritz an, der gerade als Bundestrainer bei der WM in Ruhpolding tätig war. „Tom war extrem mitgenommen. Ich weiß um die Gefahren des Skicross, mir ist bewusst, dass der Sport sehr gefährlich ist, aber dass er lebensgefährlich ist, das darf nicht sein”, sagte der 53-Jährige der AZ, „Tom und ich haben noch nicht groß darüber den reden können. Der Tom ist eher einer, der die Dinge in sich hineinfrisst, sie mit sich ausmachen will.”

Fischer, der selber Skifahrer werden wollte, aber im Biathlon erfolgreicher war, erhebt schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitsvorkehrungen. „Es musste leider erst einer sterben, bis überhaupt über die Sicherheit nachgedacht wird. Wer die Strecke gesehen hat, muss sagen: Das ist eine bodenlose Frechheit, da gibt es keine Chance, wenn man einen Fehler macht. Man spielt mit dem Leben der jungen Kerle. Ich habe so schon jedes Mal ein Dankeschön nach oben gesagt, wenn der Junge von einem Wettbewerb gesund nach Hause kam. Man kann da wirklich nur unendlich dankbar sein.”

Unendlich dankbar war Fischer aber vor allem am 11. November 2000. Denn da wäre sein Sohn, der Tom, beinahe in dem Todeszug in Kaprun gesessen. 155 Menschen kamen damals ums Leben, als die Gletscherbahn in den Tunnel einfuhr und dort Brand fing. Auch sieben Mitglieder aus dem Skiklub von Fischer junior, darunter die 19-jährige Freestyleweltmeisterin Sandra Schmitt, kamen dabei ums Leben. „Wir waren damals auch auf dem Weg dorthin, dann ging direkt vor uns die Schranke runter. Ich habe dann gesagt, lassen wir es, es ist zu voll. Und wir sind umgedreht. Der Junge ist der Tragödie nur ganz, ganz knapp entkommen ”, erinnert sich Fritz Fischer, „man kann von Schicksal oder einer höheren Macht sprechen. Ich kann nur sagen, ich bin immer auf der Sonnenseite des Lebens gewesen, aber wir haben oft gesehen, dass es auch ganz anders sein könnte.” So, wie bei Zoricic. Er wurde nur 29 Jahre alt.

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