"Das Schwergewicht ist ein Totentanz"

Wladimir Klitschko verteidigt wieder einmal seine WM-Titel. Hier erklärt Ex-Champion Ottke, warum der Franzose Mormeck keine Chance hat – und wieso auch Huck kein wirklicher Rivale für die Brüder wird
von  Matthias Kerber

Wladimir Klitschko verteidigt wieder einmal seine WM-Titel. Hier erklärt Ex-Champion Ottke, warum der Franzose Mormeck keine Chance hat – und wieso auch Huck kein wirklicher Rivale für die Brüder wird.


AZ: Herr Ottke, Schwergewichtsweltmeister Wladimir Klitschko verteidigt am Samstag seinen Titel gegen den Franzosen Jean-Marc Mormeck, der im Schwergewicht noch nicht einen Gegner ausgeknockt hat. Ergibt dieser Fight in Ihren Augen überhaupt viel Sinn?

SVEN OTTKE: Die kurze Antwort auf die Frage lautet: Nein! Wollen Sie auch noch eine lange Version hören?

Das würde das Gespräch entscheidend erleichtern, ja.

Schauen Sie sich doch Mormeck an. Der ist gerade mal 1,80 Meter groß. Also fast genauso groß wie ich – oder sollte ich lieber „klein” sagen? Wollen Sie mich etwa gegen Klitschko kämpfen sehen? Ich will es sicher nicht. Wenn Mormeck ein echtes Muskelpaket ist, dann bringt er austrainiert vielleicht 90 Kilo auf die Waage, alles andere ist unnütze Masse. Er ist also 20 Zentimeter kleiner und 20 Kilo leichter als Klitschko. Und Mormeck ist auch nicht gerade der zweite Mike Tyson. Er hat weder die Geschwindigkeit noch die Schlagkraft, um Wladimir zu gefährden.

Also keine Chance für Mormeck?

Nicht eine. Wir reden hier ja von Wladimir Klitschko. Der ist riesig und kann auch richtig boxen. Den kannst du nur beeindrucken, wenn du ihm richtig eine knallst. Wladimir scheut es – anders als sein Bruder Vitali – getroffen zu werden. Aber diese Kraft hat Mormeck nicht, er wird nicht mal richtig an Klitschko rankommen. Wladimir wird ein paar Runden mit ihm spielen, dann wird er ihn abschießen. Man kann nur hoffen, dass Mormeck nichts Ernstes dabei passiert, denn Klitschko ist einer, der wirft ja mit Steinen, das sind keine Patsch-Händchen, das sind Hämmer. Aber der Kampf für sich ist pille-palle. Ich verstehe nicht, dass man den Kampf macht, aber noch weniger verstehe ich die Zuschauer.

Die kommen, weil sie ein Klitschko-Event sehen wollen, der sportliche Wert ist sicher für nicht alle Fans entscheidend.

Ja, aber wie kann es sein, dass sich 50000 Zuschauer in ein Fußballstadion begeben, um so einen Fight zu sehen? Das Publikum will einfach verarscht werden, daher haben sie es irgendwie auch nicht anders verdient. Spannung wird ihnen auf jeden Fall keine geboten.

Spannend war zumindest der Kampf um dem WBA-Titel zwischen Cruisergewichtsweltmeister Marco Huck und Schwergewichtschamp Alexander Powetkin.

Spannend schon, aber auf welchem Niveau! Wie kann es sein, dass ein Weltmeister schon nach drei Runden keine Luft mehr hat? Marco hat mutig und couragiert gekämpft, aber er ist als Boxer schon limitiert. Er hat den Straßenkämpfer immer noch tief in sich drin. Und am Ende sackt dann ein Champion in der Ecke zusammen und behält seinen WM-Titel, das kann es alles gar nicht geben. Der hat Huck doch vollkommen unterschätzt und sich nicht richtig vorbereitet.

Was halten Sie davon, dass Boxer wie Huck, der eigentlich Huckovic heißt, die Namen eindeutschen?
Nichts. Auch bei Felix Sturm oder Robert Stieglitz halte ich nichts davon. Man ist, was man ist. Man sollte den Namen nicht wie ein Hemd wechseln. Da muss ich auch sagen, Respekt vor den Klitschkos, die das nie gemacht haben. Wobei deren PR-Strategie so klasse war, dass heute wahrscheinlich jeder zweite Deutsche glaubt, dass auch die Deutsche sind.

Jetzt will Huck auch gegen die Klitschkos boxen...

So naiv kann auch Marco nicht sein, dass er sich wirklich einbildet, dass er da gewinnen könnte. Das ist eine ganz andere Klasse. Er soll wieder ins Cruisergewicht gehen, da ist die sportliche Herausforderung auch eine ganz andere. Da sind Superboxer. Im Schwergewicht gibt es nur die Klitschkos und sonst nichts. Das ist ein Totentanz – schon seit Jahren. Boxen muss aufpassen, dass es nicht bald in der Versenkung verschwindet. Vitali macht noch ein, zwei Kämpfe, Wladimir wird es auch nicht mehr ewig reizen. Und dann werden Fernsehsender den Saft abdrehen. RTL hat nur die Klitschkos, die ARD wird sich auch nicht mehr langfristig binden.

Sat.1 hat noch Felix Sturm.
Ja, aber der ist doch satt. Der boxt doch keine Gegner mehr, die man ernst nehmen kann. Und seine letzten zwei Kämpfe hat er doch verloren, wenn man ehrlich gewertet hätte.

Was halten Sie von den Vorfällen beim Kampf von Vitali Klitschko gegen Dereck Chisora, als dieser Klitschko am Tag vor dem Fight ohrfeigte, dann Wladimir anspuckte und sich dann noch auf der abschließenden Pressekonferenz mit seinem Landsmann David Haye eine übelste Schlägerei lieferte?

Es gab immer Assos im Boxen. Gut war das sicher nicht, aber der Sport hat schon viele Skandale überlebt.

Etwa Tysons Ohrbiss.

Eben. Aber irgendwie war das komisch. Ich sage hier ganz explizit nicht, dass die Sache inszeniert war, aber ich bin seit über 30 Jahren unter Boxern. Und ich habe noch nie einen Boxer erlebt, der wie Chisora mit offener Hand eine Ohrfeige verteilt. Boxer schlagen mit der Faust zu – oder gar nicht. Ich fand die Szene ungewöhnlich. Aber dass Chisora andere Murmeln im Kopf hat als die meisten, ist recht offensichtlich.

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