Das Schweini-Spiel
TENERO - Der Bayern-Star steht nach seiner Rot-Sperre erstmals bei dieser EM in der Anfangself - als Psycho-Waffe. Bastian Schweinsteiger will heute sorgen, dass Portugals Torwart feuchte Hände bekommt.
Elfmeterschießen. Klar, könnte es geben in dieser ersten K.o.-Runde im EM-Viertelfinale in Basel. Aber wohl nicht in der Variante, die Bastian Schweinsteiger Mittwochvormittag auf dem Trainingsplatz in Tenero einstudierte. Elfmeter ohne Torwart. Zu seiner Entschuldigung ist zu sagen, dass der Bayern-Mittelfeldspieler eben als Erster auf dem Platz war und sich die Zeit vertrieb, bis die Mitspieler herüberkamen.
Sollte es tatsächlich zum Elfmeterduell mit den Portugiesen kommen, stünden die DFB-Kicker einem Mann gegenüber, der bisweilen gerne mal auf seine Torwarthandschuhe verzichtet: Ricardo (32) von Betis Sevilla. Bei der EM 2004 im eigenen Land parierte er im Viertelfinale gegen England einen Strafstoß im Elfmeterschießen mit bloßen Händen und schoss schließlich das entscheidende Tor zu Portugals Sieg selbst. Im WM-Viertelfinale 2006 stellte der Keeper einen WM-Rekord auf: Noch nie hat ein Schlussmann gleich drei Bälle im Elferschießen pariert.
Ricardos schwarze Stunden
So viel zu den Glanzstunden des oft unorthodox haltenden 1,88-Meter-Keepers mit schwacher Strafraumbeherrschung. Seine schwarzen Stunden sind vor allem mit einem Namen verbunden: Bastian Schweinsteiger – und der traf gegen Ricardo stets aus mehr als elf Metern Entfernung.
Im Spiel um Platz drei der WM 2006 versenkte Schweinsteiger zwei Distanzschüsse in Ricardos Tor, im Champions-League-Spiel mit dem FC Bayern bei Sporting Lissabon im Herbst 2006 einen zum Siegtreffer. Als hätten Ricardos Hände eine Allergie gegen Schweini-Schüsse. Rückfall heute erwünscht. „Natürlich denkt man an dieses Spiel bei der WM und an die beiden Treffer zurück“, sagte Schweinsteiger gestern. „Aber Donnerstag ist ein neuer Tag.“ Neues Spiel, neues Glück. Natürlich wird er es erneut versuchen, daher hat ihm Bundestrainer Joachim Löw längst mitgeteilt, dass er nach seiner Rot-Sperre erstmals bei dieser EM in der Anfangself steht. Als Psycho-Waffe. Es soll das Schweini-Spiel werden.
Schüsse mit einer gehörgen Portion Wut
Aus zwei Gründen: Erstens, weil Ricardo feuchte Hände bekommen soll, wenn sich Schweinsteiger in Schussposition begibt. Und zweitens, weil der 23-Jährige, der erst nur Reservist und dann Tribünenhocker war, wohl eine gehörige Portion Wut in jeden Schuss legen dürfte. Darauf setzt Löw. „Er wird vor Wut und Energie strotzen“, sagte der Trainer, „Bastian hat uns allen Gegenüber eine Bringschuld.“
Gegen Österreich bestand Schweinsteigers Aufgabe eher darin, sich im Sinne des diplomatischen Dienstes zu verhalten, als er auf der Ehrentribüne den Smalltalk-Experten für Kanzlerin Bundeskanzlerin Angela Merkel gab. Am Donnerstag soll er es auf dem Platz richten.
Um für sich einen Wendepunkt bei dieser EM zu finden. Angeschlagen wegen einer Bänderverletzung reiste er ins Tessin, verlor seinen Stammplatz an Lukas Podolski und beging dann gegen Kroatien mit dem Schubser eine Dummheit. „Die Portugiesen sind für mich trotz der tollen Leistungen der Holländer bis dato die stärkste Mannschaft bei dieser EM. Wir aber wissen, wozu wir in der Lage sind“, meinte Schweinsteiger, „und wenn es uns gelingt, das auch abzurufen, dann könnte es ein sehr interessantes Spiel geben.“ Besonders für seinen Spezi Ricardo.
Patrick Strasser