„Das schaukelt sich hoch im Kopf – dann blockiert es dich“

Ex-Skistar Hilde Gerg über ihre schlaflosen Nächte und die Probleme von Maria Riesch.
AZ: Frau Gerg, kommen Sie überhaupt dazu, die WM in Val d’Isère zu verfolgen?
HILDE GERG: Ja, zwischen Wickeln und Stillen. Der Wolfgang, unser zweiter Sohn, ist gerade fünf Wochen alt. Seine Schwester, die Anna, ist 16 Monate, die hat letzte Nacht auch noch einen Krupphusten gehabt, da ist man ganz gut beschäftigt. Aber die WM kriege ich natürlich mit.
Wo es gar nicht so gut läuft. Es wirkt alles recht chaotisch.
Zum Zuschauen finde ich es ganz interessant. Jeder Läufer hat an anderen Stellen Schwierigkeiten, wenn einer bei der letzten Zwischenzeit vorne liegt, kann er im Ziel schon wieder hinten sein.
Hinten sind vor allem die DSV-Fahrer. Nach einer Woche gibt es noch keine Medaille, bei Maria Riesch war der Frust nach Platz zehn in der Abfahrt riesengroß.
Das kann man aber auch verstehen, ich kann das gut nachvollziehen. Mir ist es ja auch schon so gegangen, dass ich bei den Speed-Rennen alleine an vorderster Front war, dass die Erwartungen nur auf mir lagen, so wie jetzt bei der Maria. Das ist sehr schwer, damit umzugehen.
Führt das zu einer Verkrampfung?
Das schaukelt sich hoch in deinem Kopf, und irgendwann blockiert es dich dann. Die ganze Zeit hörst du von Verbandsseite, dass du die einzig ernste Medaillenchance bist, dass der Skisport unbedingt Erfolge braucht, das führt sicher nicht dazu, dass man locker und befreit drauf losfahren kann. Man lässt sich leicht verunsichern. Ich habe das 2003 in St. Moritz erlebt, vor allem aber 2005 in Bormio.
Das war Ihre letzte WM, da wurden Sie Achte im Super-G, bei der Abfahrt kamen Sie auf Platz 13.
Richtig, es war eine große Enttäuschung. Du merkst, du kannst die Erwartungen nicht erfüllen, das schlägt sich auf deine Stimmung nieder, aber auch auf die im Team. Wenn man ehrlich ist, war Marias einzige realistische Medaillenchance bisher die Kombination, in Abfahrt und Super-G hat sie den Winter über zu wenig gebracht, als dass man da viel hätte erwarten können. Das Problem ist halt nur, dass ihre Lieblingsdisziplin, der Slalom, jetzt ganz zum Schluss kommt. Und da wird der Druck natürlich noch einmal höher. Wie angespannt sie war, hat man ja an ihren Tränen nach der Abfahrt gesehen.
Trauen Sie Maria Riesch jetzt eine Medaille noch zu?
Natürlich. Für mich ist sie immer noch sehr nervenstark, nur läuft es im Moment zäher.
Ist es gut, dass sie jetzt noch zwei Wettbewerbe vor dem Slalom hat?
Ja. Die Maria ist einfach eine Vielfahrerin, die mag das Skifahren und den Wettkampf viel zu gerne. Und außerdem erwartet ja jetzt keiner etwas von ihr, im Riesenslalom und jetzt am Mittwoch im Teamwettbewerb. Da kann sie vielleicht doch wieder Lockerheit zurückgewinnen.
Und vielleicht holt sie ja doch überraschend mit der Mannschaft eine Medaille. So wie Sie damals in Bormio.
Das war sehr lustig damals. Wir Skiläufer sind ja Einzelsportler, so eine Staffel wie in Langlauf oder Biathlon haben wir nie gehabt. Die Österreicher hat das ziemlich gewurmt damals, dass wir Gold geholt haben, so etwas mit den Kollegen zu feiern, war etwas ganz besonderes. Hatte sicher nicht den Stellenwert wie eine Einzelmedaille.
Wie etwa Ihr olympisches Slalom-Gold von Nagano 1998. Hängen die beiden Medaillen bei Ihnen direkt nebeneinander?
Das nicht. Aber immerhin im gleichen Zimmer.
Interview: Florian Kinast