Das Löwenherz — pumperlgsund

"Wir haben heute einen Herz-Test für unseren Trainer gemacht", sagte Gregg Berhalter nach dem Krimi auf dem Betzenberg. Aber müssen es immer diese Last-Minute-Siege sein? - Nerven, Finanzen, Siegeswille: Warum 1860 optimistisch in die Zukunft blicken darf.
von  Abendzeitung
Je später die Entscheidung fällt, umso ausgelassener bejubeln die Löwen ihre Siege. Wie hier in Kaiserslautern.
Je später die Entscheidung fällt, umso ausgelassener bejubeln die Löwen ihre Siege. Wie hier in Kaiserslautern. © M.i.S./Bernd Feil

"Wir haben heute einen Herz-Test für unseren Trainer gemacht", sagte Gregg Berhalter nach dem Krimi auf dem Betzenberg. Aber müssen es immer diese Last-Minute-Siege sein? - Nerven, Finanzen, Siegeswille: Warum 1860 optimistisch in die Zukunft blicken darf.

Können sie es nicht anders? Klar, nach so einem Last-Minute-Sieg feiert es sich umso ausgelassener. Da darf es gerne laut werden in der Kabine und im Bus, da dürfen dann sogar die unmusikalischsten unter den Spielern ungestraft ihre Lieblingslieder mitgrölen.

Aber müssen die Löwen die Nerven der Fans und ihres Trainers immer so strapazieren? Müssen es immer diese dramatischen Last-Minute-Siege sein? Wie am Freitag in Kaiserslautern, als José Holebas der Siegtreffer zum 2:1 erst mit dem Schlusspfiff gelang?

"Da geht mir jedesmal das Herz auf"

Vize-Präsident Karsten Wettberg vermutet – nur halb im Scherz – Methode hinter der neuesten Löwen-Taktik, erst in den Schlussminuten gnadenlos zuzuschlagen. „Fußball lebt von den Emotionen“, sagt er, „die Jungs haben das begriffen. Sie wissen, wie man die Fans begeistert. Mir geht beim Zuschauen da jedes Mal das Herz auf.“ Weil sie „sich nie aufgeben, bis zum Umfallen kämpfen und sich immer öfter selbst dafür belohnen“ (Wettberg).

„Wir haben heute einen Herz-Test für unseren Trainer gemacht“, hatte Gregg Berhalter nach dem Krimi auf dem Betzenberg gesagt. Fußball fürs Herz – die Löwen als Gegenentwurf zum FC Bayern, der Fußball manchmal mit Mathematik verwechselt? Zumindest ist das Löwen-Herz derzeit pumperlgsund – ablesbar an vielen Symptomen:

Die Nervenstärke

Neun ihrer 31 Liga-Tore erzielten sie in den letzten 15 Minuten. Vier Mal schafften die Sechzger es, in der Schlussphase mindestens ein Remis zu erkämpfen. Ohne diese Last-Minute-Erfolge hätten sie 24 statt 31 Punkten. So aber „sind wir oben absolut mit dabei“, sagt Kapitän Danny Schwarz. „Nur weil sie so nervenstark sind, lebt der Traum weiter“, sagt Wettberg.

Im Pokal machten es die Löwen sogar noch spannender: Sechs von insgesamt acht Toren fielen kurz vor Schluss. Gegen Mainz und Aachen kam man wegen der Last-Minute-Tore weiter. „Das ist nicht nur eine Frage der Fitness“, sagt Co-Trainer Günter Gorenzel-Simonitsch, „das kannst du nur schaffen, wenn es im Kopf und im Herzen stimmt.“ Und Schwarz meint: „Wir kommen immer zurück ins Spiel. Wir geben nie auf, das zeichnet uns aus.“ Verantwortlich dafür sei Trainer Marco Kurz, meint Wettberg: „Marco verliert nie die Nerven, steht nie ratlos an der Linie, zieht keine Show ab. Diese Nervenstärke hat er auf die Spieler übertragen.“

Der Umgang mit Niederlagen

Vier Spiele haben die Löwen diese Saison bisher verloren. Jedes Mal gab es eine 0:3-Klatsche. Nach jeder Pleite rehabilitierten sie sich mit einem Erfolgserlebnis. „Die Mannschaft ist unglaublich stabil, mittlerweile“, sagt Sportdirektor Stefan Reuter. „Die Jungs haben mich in dieser Saison noch nie richtig enttäuscht“, sagt Wettberg. Die Niederlagen seien nicht vergleichbar mit jenen der Vorsaison. Damals seien Partien teilweise nach 25 Minuten erledigt gewesen, so Wettberg.

Jetzt würde stets weiter der Sieg gesucht. „Der Grat ist sehr schmal. Marco geht immer volles Risiko, wechselt offensiv ein und die Spieler glauben an ihre Chance“, sagt Reuter, „das kann eben nicht immer gut gehen, wenn du dann hinten aufmachst.“

Die Finanzen

Mit einem Verlust von mehr als drei Millionen Euro hatte Geschäftsführer Stefan Ziffzer vor der Saison kalkuliert. Durch den Pokal-Coup und das anstehende Derby gegen Bayern „kommen wir auf unter eine Million Euro Verlust“ (Ziffzer). Zudem spült die Nervenstärke der blauen Bubis in der Liga noch zusätzliche TV-Einnahmen in die Kasse.

Sollten die Sechzger am Ende Tabellensechster sein, würden sie 600000 Euro mehr TV-Gelder kassieren als ursprünglich kalkuliert. Jeder bessere Tabellenplatz bringt weitere rund 300000 Euro.

Auch ohne Aufstieg könnte sich 1860 heuer schon gesund stoßen. Dann würde wohl sogar Finanzboss Ziffzer das Herz aufgehen.

Filippo Cataldo

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