"Das Leben kann nicht schöner sein"

Sebastian Vettel verteidigt in Suzuka mit einem dritten Platz seinen Weltmeistertitel – damit ist der Red-Bull-Pilot der jüngste Fahrer, dem dies gelingt. „Das ganze Jahr war ein Traum!”
von  Filippo Cataldo

Suzuka -  Der Junge hat Nerven. „Ein Sieg hier wäre mir lieber gewesen”, funkte Sebastian Vettel Teamchef Christian Horner mit nüchterner Stimme zu, kurz nachdem er in Suzuka als Dritter die Ziellinie überfahren hatte. Dann stockte er kurz – und die nüchterne Fassade machte einem gefühligen Ausbruch Platz. „Ich danke euch so sehr. Jedem einzelnen von euch. Wir haben nichts für selbstverständlich genommen und nun seht, wo wir sind. Wir haben es wieder geschafft”, funkte Vettel mit stockender, von leisen Schluchzern unterbrochener Stimme seinem Team zu.

Und wie er es geschafft hat! Sebastian Vettel ist in Suzuka zum zweiten Mal Weltmeister geworden. Der dritte Rang hinter Ferrari-Mann Fernando Alonso und Sieger Jenson Button (McLaren) reichte locker, um sich den Titel und wieder mal einen Altersrekord zu sichern. Der jüngste DoppelWeltmeister aller Zeiten ist Vettel jetzt.

Und vielleicht lag es daran, dass der Vollzug des Titels erwartbar war, dass Vettel in dieser Saison so dominant und perfekt fährt, dass der Jubel über den Triumph viel leiser daherkam als letztes Jahr nach dem Herzschlagfinale in Abu Dhabi. Klar, Vettel konnte auch gestern seine Tränen nicht unterdrücken, aber es folgte kein erlösender emotionaler Ausbruch wie vor einem Jahr. Vettel wirkte eher ratlos, als er über seine Gefühle sprechen sollte. „Wo soll ich anfangen? Wir hatten ein fantastisches Jahr – und es geht noch weiter. Ich bin sehr stolz auf alle von uns. Alle im Team haben einen fantastischen Job erledigt. Das ganze Jahr war ein Traum”, sagte er. Und weiter: „Ich bin ein bisschen sprachlos, es ist genauso verwirrend wie beim ersten Titel. Vielleicht müssen wir Michael (Schumacher, die Red.) fragen, ob man sich irgendwann an dieses Gefühl gewöhnt, ob es irgendwann normal wird, wenn man eine bestimmte Zahl an Titeln gewonnen hat.”

Vermutlich wird er es selbst herausfinden dürfen. Kaum einer zweifelt daran, dass es nicht bei diesen zwei Titeln bleiben wird, dass Vettels Dominanz in den nächsten Jahren anhalten wird. Der dreimalige Weltmeister und heutige RTL-Experte Niki Lauda versteifte sich gar im Überschwang des Sieges gar zur Aussage: „Was alles in der Formel 1 vorher passiert ist, er ist der Beste,” Vettel jetzt schon besser als Schumi, Senna, Lauda, Fangio und Co.? Aber Lauda ging noch weiter – und traut dem 24-Jährigen sogar zu, die Grenzen der Physik zu verschieben: „Er ist am Zenit angelangt. Während wir staunen, hat der nix anderes zu tun als morgen zu überlegen: Wie werde ich noch besser? Das heißt, sein Potenzial nach oben ist wahnsinnig groß. Und ich bin mir sicher, dass er nächstes Jahr oder nächstes Rennen wieder versucht, besser zu fahren.”

Zunächst aber begann für Vettel die Weltmeister-Party. Mit vom Schampus verklebtem Haar kletterte er nach der Siegerehrung auf die Boxenmauer und genoss die Huldigungen der japanischen Fans. In der Red-Bull-Box fiel er erstmal seinem Vater Norbert um den Hals. Mehr als zwei Stunden blieb Vettel da und empfing die Gratulanten aus dem Fahrerlager. Aus den Boxen klangen Discohits, Vater Norbert tanzte, Vettel umarmte überglücklich jeden einzelnen Mechaniker. „Schöner als so könnte das Leben nicht sein.” Während die Mechaniker anschließend zusammenpackten – um Mitternacht japanischer Zeit musste die Ausrüstung im Flieger nach Südkorea sein, wo nächsten Sonntag das nächste Rennen stattfindet – begaben sich Vettel, sein Vater, Teamchef Christian Horner, die wichtigsten Mitarbeiter und Vertraute wie etwa Rekordchampion Michael Schumacher und Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug in eine Bar, um den Triumph zu begießen. Lang genießen konnte Vettel den Triumph nicht. Montagfrüh schon musste er nach Yokohama – zum Sponsorentermin beim Autohersteller Infiniti, der Luxussparte von Nissan. Die Pflichten eines Weltmeisters.

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