"Das ist ein großes Ding"

Hier erklärt Tennis-Legende Ivan Lendl, wieso er Murray coacht, seine Töchter ihn nicht mehr brauchen – und er selbst wieder Tennis spielt.
Jörg Allmeroth, Mark Preston |
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Hier erklärt Ivan Lendl, wieso er Murray coacht, seine Töchter ihn nicht mehr brauchen – und er selbst wieder Tennis spielt

AZ: Herr Lendl, viele sind überrascht, Sie nach Jahren der Abstinenz wieder im Tenniszirkus zu sehen.

IVAN LENDL: Ich hatte nicht den Wunsch, nach meiner Karriere einfach im Tennis weiterzumachen: Trainer, Kommentator – das hat mich alles damals nicht gereizt. Der Abstand nach den harten Jahren auf der Tour war angenehm. Außerdem hatte ich ja gesundheitliche Probleme mit meinem Rücken. Da war an Tennis erst mal nicht zu denken.

Sie haben sich dann um Ihr eigenes Golf-Handicap und die Golfkarrieren Ihrer Töchter gekümmert.

Langweilig ist es mir nicht geworden. Drei meiner fünf Töchter spielten leidenschaftlich gern Golf, ich hatte also meinen eigenen Wanderzirkus, als ich sie zu den Turnieren quer durch die USA begleitete. Sie sind jetzt aber erwachsen, gehen auf die Hochschule – und brauchen mich nicht mehr jeden Tag als Berater und Chauffeur.

Ihr eigenes Golfspiel droht nun zu leiden: Als Vollzeitcoach von Andy Murray sind Sie seit Jahresbeginn gut beschäftigt.

Es ist ein Riesenvergnügen, mit ihm zusammenzuarbeiten. Wir hatten letztes Jahr zwei, drei Mal über den Trainerjob gesprochen, im Dezember war das Ganze dann perfekt. Ich hatte vorher diverse andere Angebote, aus aller Welt, aber das war nichts für mich. Ich wollte schon einen Spieler coachen, wo ich weiß: Da stimmt die Chemie, da passt alles zusammen.

Was macht Sie so sicher, dass Murray der Richtige ist?

Er ist einer der begabtesten Spieler dieser Zeit, ein intelligenter Typ. Aber vor allem ist er ein extrem harter Arbeiter – so wie ich auch. Er macht keine Kompromisse, hat den unbedingten Willen zum Erfolg. Das gefällt mir. Außerdem hat er den trockenen Humor, den ich so schätze.

Noch etwas haben Sie beide gemeinsam – eine Serie von Fehlschlägen auf dem Weg zum ersten Grand-Slam-Titel.

Tatsächlich weiß ich sehr gut, wie sich Andy fühlt nach diesen ersten drei verlorenen Grand-Slam-Endspielen. Und ich kann sagen: Es ist kein schönes Gefühl. Ich war in genau dieser Situation, und ich denke, ich kann ihm helfen, diese Hürde zu überspringen.

Was exakt können Sie tun?

Das Wichtigste ist, Andy perfekt an den Start zu bringen – für die Grand Slams, für die entscheidenden Spiele dort. Wenn die Arbeit stimmt, dann kommen auch die Resultate. Ich habe nicht vor, sein Spiel radikal umzustellen, das wäre töricht. Wir wissen beide, dass diese Zusammenarbeit ein Prozess ist, der auch Zeit braucht.

Mit Ihrer Verpflichtung geht Murray ein hohes Risiko ein.

Und ich bewundere ihn für diesen Mut, für diese Courage. Er weiß, dass er jetzt noch mehr im Rampenlicht steht, dass das ein großes Ding ist – Murray und Lendl. Ich versuche jetzt, so viel wie möglich von ihm fernzuhalten. Ich lenke die Aufmerksamkeit ab.

Die Djokovics, Nadals und Federers sehen nicht so aus, als wollten sie sich von Ihrem Schützling überholen lassen.

Es ist eine beeindruckende Gruppe, die sich da vorne an der Spitze festgesetzt hat. Es ist eine große Tennis-Ära. Aber Andy hat schon gezeigt, dass er diesen Spielern auf Augenhöhe begegnen kann.

Wenn Sie das Tennis Ihrer Epoche mit der Gegenwart vergleichen: Wo liegt da der große Unterschied?

Die Leistungstiefe ist immens. Nur weil die Top-Vier-Spieler die meisten Pokale holen, darf man nicht glauben, der Rest der Welt sei schwach. Die Profis sind alle top austrainiert, haben alle eine gewaltige Power. Ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen, ist schon eine gewaltige Leistung.

Das führt zu der ewigen Streitfrage: Ist die aktuelle Spitzengruppe besser als jene von vor 20 oder 30 Jahren?

Das ist ein spannendes Thema. Man kann es eigentlich nicht vergleichen. Federer ist sicher vorn in dieser neuen Tenniszeit, also der Profi-Ära. Rod Laver war die Ikone der Tennisepoche davor, er hat immerhin zwei Mal den echten Grand Slam in einem Kalenderjahr gewonnen. Das hat nach ihm niemand geschafft.

Im vergangenen Jahr kehrten Sie selbst auf die Seniors Tour zurück, spielten auch in Deutschland und Europa Schaukämpfe und Turniere. Entzugserscheinungen?

Ich hatte, wie gesagt, viele Jahre enorme Probleme mit meinem Rücken. Da war Tennisspielen unmöglich. Jetzt geht es mir körperlich viel besser. Ich muss aber aufpassen, dass ich es nicht übertreibe.

Was war das für ein Gefühl, Ihren ehemaligen Rivalen wieder gegenüber zu stehen?

Das Vergnügen war viel größer, als ich jemals gedacht hätte. Vor zehn Jahren war da noch das Gefühl: Du spielst nie wieder Tennis, schon gar nicht vor Publikum und gegen einen Wilander oder einen McEnroe. Doch dann habe ich es richtig genossen. Auch wenn ich in den ersten Matches heftige Prügel bezog.

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