Das Green heißt White
Snow-Golf ist ideal für alle, die auch im Winter nicht loslassen können. Die AZ hat Weltmeister Adi Hengstberger begleitet
Fünf Grad unter Null zeigt das Thermometer an. Adi Hengstberger trägt eine dicke, blaue Winterjacke, weiße Schneehose, Schal, Handschuhe. Der Schnee knirscht unter seinen Füßen bei jedem Schritt. Dampfwolken stoßen aus seinem Mund nach jedem Atemzug. Dann bleibt er stehen, zieht seine Handschuhe aus, holt einen Schläger hervor. Er bringt sich in Stellung, visiert einen roten Ball an und schwingt gefühlvoll durch. 60 Meter fliegt das kleine Ding durch die eisige Luft und bleibt auf dem White liegen, nur zwei Meter vom Loch entfernt.
Hengstberger grinst, ist zufrieden. Schließlich ist er auch Doppelweltmeister im Schneegolfen - eine äußerst eisige Variante des klassischen Golfsports. „Die unheimlich viel Spaß macht und für eine Hammer-Laune sorgt", meint der Grünwalder, der umringt von den Alpen gerade eine Runde im winterlichen Kitzbühel spielt. „Wer einmal damit anfängt, hört nicht wieder auf."
So erging es Hengstberger, und so ergeht es auch vielen anderen – darunter Prominente wie der frühere Skispringer Dieter Thoma, Diskuswurf-Legende Lars Riedel oder das Volksmusikanten-Traumpaar Marianne und Michael. Sogar der Kaiser höchstpersönlich, Franz Beckenbauer, wollte schon mit Hengstberger ein paar Löcher im Schnee spielen. „Aber daraus wurde bislang noch nichts", erzählt Hengstberger, der den Ehrenpräsidenten des FC Bayern vor einigen Jahren beim sommerlichen Rasengolfen kennengelernt hat. „Vielleicht klappt es ja in diesem Winter. Eine Einladung hat er bereits bekommen."
Drei Schneegolf-Turniere stehen auf dem Programm, die Adi Hengstberger veranstaltet und die der breiteren Golfmasse den eisigen Trend näher bringen sollen. So werden vom 17. bis 20. Januar in Vulpera (Schweiz) die Eisen geschwungen – genauso wie in Ridnaun (Italien) vom 22. bis 24. Februar und in Kitzbühel vom 1. bis 3. März. „Da kann jeder mal sein Gespür für Schnee unter Beweis stellen und sein Glück versuchen", sagt der Werbekaufmann. Einzige Voraussetzung: Man muss über eine Platzreife verfügen.
„Schneegolf unterscheidet sich nicht groß vom normalen Rasengolf", erklärt Hengstberger. „Die Greens heißen White, die Löcher sind etwas kürzer, und es gibt natürlich keine Bunker und Wasseranlagen." Dafür neun Golfbahnen, die wie Langlauf-Loipen präpariert sind. Das White besteht aus einer ebenen, vereisten Fläche, in der sich die Fahne und das dazugehörige Loch befindet. Was passiert, wenn der rote Ball übers gewalzte Fairway (Bahn) hinaus schießt und im tiefen Pulverschnee landet, dort untertaucht? Hengstberger: „Das zählt ganz normal als Strafschlag."
Der britische Schriftsteller und Nobelpreisträger Rudyard Kipling gilt als Erfinder des Schneegolfens: Als er das „Dschungelbuch" kurz vor Ende des 19. Jahrhunderts im kalten Neuengland (USA) schreibt, spielt er trotz Eis und Schnee immer wieder Golf, um sich zu entspannen.
Hengstberger (43) golft seit über 20 Jahren. Ein Außenbandriss zwang den damaligen Motocrosser, etwas kürzer zu treten. Und so drückte ihm ein guter Freund ein Eisen und einen kleinen, weißen Ball in die Hand. Seit sechs Jahren schlägt der Grünwalder auch im Winter ab. Und bald vielleicht sogar im Englischen Garten? „Das wäre ein Traum”, meint Hengstberger, „und würde auch gut zu München als Sportstadt passen. Da muss ich mit der Stadt München noch sprechen."
Zurück nach Kitzbühel. Adi Hengstberger steht am Abschlag, zieht seine Handschuhe aus und schnappt sich ein Eisen. Ein kurzes „Wusch" ist zu vernehmen, Schnee schleudert hoch, der rote Ball fliegt durch die Luft – und im hohen Bogen in den Schnee am Rande der Bahn. „Mist!”, zischt Hengstberger verärgert. „Das ist beim Schneegolf nicht anders als beim Rasengolf", sagt er. „Aber bei dieser fantastischen Bergkulisse und dieser Ruhe, kann man sich nicht lange aufregen." Im Schnee verschmelze er regelrecht mit den Naturgewalten. Auch bei fünf Grad unter Null.
Weitere Infos: www.golf-on-snow.com