Das gefährliche Leben des Samuel P.

Der Weltmeister spielt sich vor dem Kampf gegen Vitali Klitschko als "Riesenkiller" auf. Und wäre vor einem Jahr fast von seinem Schwager erschossen worden.
BERLIN Das Erste, was an Samuel Peter sofort ins Auge springt, ist dieser unglaubliche Stiernacken. „Ich habe ihn seit meiner Kindheit trainiert“, sagt der Box-Weltmeister, der am Samstag in der Berliner o2-Arena seinen Titel gegen Ringrückkehrer Vitali Klitschko verteidigt.
Trainiert, indem er, der im nigerianischen Akwa Ibom, in einem Haushalt ohne fließend Wasser aufgewachsen ist, das Wasser in großen Trögen auf dem Kopf tragend vom nächsten Brunnen holen musste. Jetzt mit 27 Jahren ist der Stiernacken mit dem Kampfnamen "nigerianischer Albtraum" Weltmeister. Aufgrund seiner Schlagkraft wird er gerne mit Mike Tyson verglichen. Das hat auch Wladimir Klitschko, Vitalis Bruder, zu spüren gekriegt. 2005 standen die beiden im Ring, drei Mal war Wladimir am Boden, am Ende boxte er Peter aber überzeugend aus. Jetzt steht nur noch dieser Peter der Verwirklichung des Traums der Klitschko-Brüder im Wege, gleichzeitig Weltmeister im Schwergewicht zu sein, im Wege. „Ich platze vor Spannung“, sagt Wladimir der AZ, „und wenn Vitali es dann geschafft hat, dann platze ich wieder. Aber vor Glück.“
Und damit es klappt, hat der kleine Klitschko den großen Bruder auch gleich mit vielen Tipps versorgt. „Ich habe ihm die Schwächen und die Stärken Peters sehr genau erklärt. Und Vitali ist topvorbereitet“, sagt Wladimir, „außerdem hat Vitali ja damals auch alles hautnah miterlebt, er stand ja in meiner Ecke. Peter ist ein gefährlicher Mann, aber Vitali ist viel gefährlicher.“
Ein gefährlicher Mann, der gerne große Sprüche klopft. „Ich bin auf der Mission Riesenkiller. Vitali ist der erste Teil dieser Saga. Wenn ich mit ihm fertig bin, dann töte ich den Riesen Wladimir“, sagt Peter. 2005 boxte er schon mal gegen Wladimir, hatte ihn drei Mal am Boden, verlor aber noch Punkten. Sprüche, die angesichts Peters jüngerer Geschichte extrem deplaziert wirken.
Am 15. Dezember 2007, da wäre das Märchen vom ersten nigerianischen Schwergewichtsweltmeister aller Zeiten beinahe in einer Tragödie geendet. Um ein Haar wäre Peter von seinem Schwager und dessen Onkel im Le Meridien Hotel in Uyo erschossen worden. Das berichtet die Zeitung „Vanguard“. Demnach habe Peters Frau Ebonga ihren Bruder angerufen, weil ihr Ehemann ihr "nach einem Streit die Autoschlüssel weggenommen und sie aus dem Hotel geschmissen habe“. Das sagte Godwin Edet Etim im Verhör aus. Mit einem geladenen Schrotgewehr sei er dann ins Hotel gestürmt und habe Peter konfrontiert. „Ich wollte ihn aber nicht erschießen, nur erschrecken,“ behauptet der Bruder weiter. Doch bevor es zu einer Eskalation kommen konnte, überwältigten vier Polizisten, die beiden bewaffneten Männer und verhafteten sie.
„Unsere Nation wurde durch das mutige Eingreifen unserer Polizisten vor einer Tragödie und einer großen Schande bewahrt“, sagt Polizeichef Mike Okiro.
Und so wurde das Märchen nicht wirklich ein "nigerianischer Albtraum".
Matthias Kerber