Das Ende der Schinderei

Patric Leitner und Alex Resch holen in ihrem letzten Rodelrennen Bronze, belohnen sich danach mit Bier. Sie denken an ihr bayerisches Zuhause– und an ein Comeback auf dem Hornschlitten.
WHISTLER Ihr Versprechen hielten die beiden. Ehrensache. Das Versprechen lautete: „sakrisch viele Biere im Kufenstüberl.“
So hatten es Patric Leitner und Alex Resch nach dem letzten Rennen ihrer Karriere angekündigt, und konsequent setzten sie ihr Vorhaben in die Tat um. Es wurde eine lange und berauschende Feier für das Doppel vom Königssee nach dem dritten Platz bei den Doppelsitzern, hinter zwei Brüderpaaren, den Lingers aus Österreich und den Sics aus Lettland.
„This Bronze“, sagte Leitner auf der englischsprachigen Pressekonferenz, „is like a gold medal.“ Später im Kufenstüberl wiederholte er das auf Deutsch, dass es so schön sei wie ein Olympiasieg. Danach trank er sein Glas leer und holte sich das nächste.
Zwölf Jahre hatten Leitner und Resch auf dem Buckel, der ihnen vor lauter Übereinander- und Aufeinanderliegen auch langsam weh tat. Olympiasieger 2002 waren sie geworden, aber jetzt taten sie sich immer schwerer, mitzuhalten. Auch im ersten Durchgang im Whistler Sliding Centre, nur Fünfte waren sie. Vor dem Finale gab es dann Videostudium der ersten Kurve. „A schiache Kurvn“, wie Resch sagte, eine, die sie bis Olympia nicht kannten. Schließlich starteten die Doppelsitzer nach der Tragödie um Nodar Kumaritashwili vom tieferen Junioren-Start. „Den Architekten der Bahn würde ich gern mal kennen lernen“, sagte Resch, „wer als Junior hier startet, dem vergeht das Rodeln doch.“ Doch bevor er sich auf den Weg nach Leipzig machte, um Bahndesigner Udo Gurgel an selbige zu gehen, fuhren sie mit einem grandiosen zweiten Lauf doch noch aufs Podium. Und dann gab es kein Halten mehr.
Leitner stürmte wie ein Irrwisch hoch auf die Tribüne zum Fanklub und den Freunden, Resch herzte im Eiskanal Freundin Simone, umarmte sie, küsste sie, minutenlang.
Als ihn die AZ später fragte, ob er seiner Verlobten einen Heiratsantrag gemacht habe, sagte Resch: „Nein, jetzt hätt' sie ja wieder die Chance gehabt dazu, mich zu fragen, aber sie hat sie wieder nicht genutzt. Jetzt werde dann doch ich mal sie fragen müssen.“
Gefragt hatte Patric Leitner seine Jeannette schon vor langer Zeit, die beiden sind verheiratet, und weil die Gemahlin daheim in Berchtesgaden beim fünf Monate alten Sohn Luis-Fritz blieb, zieht es Leitner bald zurück in die Heimat. „Sie hat mich immer so unterstützt“, sagte Leitner, „ich will jetzt einfach wieder bald bei ihr sein.“ Der Rückflug ist Samstag, bis dahin ist noch viel Zeit für Stippvisiten im Kufenstüberl. Und danach, wenn sie wieder daheim sind?
Enge Freunde werden sie bleiben, logisch, auch wenn es schon erste Differenzen gab. So hatte Leitner, kaum dass er in Whistler vom Rodel gestiegen war, angekündigt: „So, des war's. Jetzad hat die Schinderei ein End. Jetzad fahr' ich nie mehr einen Meter.“ Eine Aussage, der Resch vehement widersprach: „Sicher fahren wir wieder.“
Ein Sensations-Comeback für Olympia 2014? „Nein“, so Resch, „aber ich hab' no a paar bärige Hornschlitten vom Opa aufm Speicher, da werd ich den Patric schon nochmal draufsetzen, da gibt's immer lustige Rennen in Berchtesgaden.“ Und bei bei nicht mehr so vollen Gläsern sinnierten sie dann noch über ihre große Karriere. Und über die nächste – auf Opas Hornschlitten.
Florian Kinast