»Das Ende der Olympischen Idee«

China schlägt den Aufstand der Mönche in Tibet mit Gewalt nieder - knapp fünf Monate vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Peking. Das IOC lehnt den Ruf nach einem Boykott ab. Der Münchner Triathlet Faris Al-Sultan fordert: Stoppt den Schmusekurs!
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Augen zu und durch: DOSB-Präsident Thomas Bach.
dpa Augen zu und durch: DOSB-Präsident Thomas Bach.

PEKING - China schlägt den Aufstand der Mönche in Tibet mit Gewalt nieder - knapp fünf Monate vor Beginn der Olympischen Sommerspiele in Peking. Das IOC lehnt den Ruf nach einem Boykott ab. Der Münchner Triathlet Faris Al-Sultan fordert: Stoppt den Schmusekurs!

"Alle Welt sei rein von Mord und still von Waffengeklirr" – so lautet die antike Formel vom Olympischen Frieden, der mindestens ein halbes Jahr vor den Spielen beginnen sollte. Am 8.8.2008 werden in Peking die Olympischen Spiele eröffnet. Doch von Frieden keine Spur. China ist mit Panzern in die nach Unabhängigkeit strebende Provinz Tibet einmarschiert, man schlägt den Aufstand der Mönche nieder. Dutzende Tote liegen in den Straßen der Hauptstadt Lhasa.

Der Dalai Lama, das spirituelle Oberhaupt der Tibeter, spricht „vom kulturellen Völkermord“. Bundeskanzlerin Angela Merkel erklärt, dass „man die Bestrebung nach religiöser und kultureller Autonomie der Tibeter“ unterstützt.

IOC - ein Statement der Hilfslosigkeit

Und die Welt des Sports? Sie zieht sich auf die Insel der sportlichen Glückseligkeit zurück. Thomas Bach, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) und Vizeboss des Internationalen olympischen Komitees IOC, erklärte im „aktuellen Sportstudio“. „Der Sport soll Brücken bauen – nicht Mauern.“

Dabei hatte das IOC 2001 die Spiele nach Peking vergeben, um „Einfluss auf die Menschenrechtsverletzungen in China“ zu nehmen. Doch jetzt verschließt man die Augen. „Wir fordern beide Seiten zum Gewaltverzicht auf“, so das Statement der Hilflosigkeit von Bach.

Einen Olympia-Boykott lehnt er, der 1980 Aktivensprecher war und sich gegen einen Boykott der Moskau-Spiele wegen des Einmarschs in Afghanistan stark gemacht hatte, ab: „Es ist besser Präsenz zu zeigen.“ Zustimmung von IOC-Boss Jacques Rogge: „Ein Boykott löst nichts. Im Gegenteil: Er bestraft nur unschuldige Athleten.“ Selbst davon, mit Konsequenzen zu drohen, etwa dem Entzug der Spiele, halten beide nichts. Bach: „Wir können Probleme nicht lösen, die Generationen von UNO-Generalsekretären nicht klären konnten.“

"Das muss die Weltpolitik lösen"

Also nichts sehen, nichts hören, nichts sagen? „Was Bach sagt, ist Unsinn“, erklärt Münchens Triathlon-Ass Faris Al-Sultan (der bei Olympia nicht starten wird) der AZ. Er fordert: „Der Schmusekurs muss gestoppt werden. Das ist Staatsterrorismus – und das Ende der Olympische Idee.“

Biathlon-Olympiasieger Michael Greis, der selber 2007 in Tibet weilte, meint: „Der Sport ist unabhängig. Die Wirtschaft verfolgt eigene Interessen, wird vor der Finanzmacht China einknicken. Wir können den Mund aufmachen.“ Doch die meisten Athleten halten zu Bach. Nia Künzer, Fußball-Weltmeisterin 2003: „Das muss die Weltpolitik lösen.“

Stellt sich die Frage, wie mündig kann ein Athlet sein, der von den Fördermitteln der Sporthilfe des DOSB abhängig ist? Zwölf Millionen werden an 3800 Sportler verteilt. Ohne die Sporthilfe gäbe es für viele keinen Leistungssport“, weiß Handball-Weltmeister Markus Baur. Auch Greis würde nicht verzichten wollen. „Das wäre zu hart, Olympia ist ja nur alle vier Jahre. Ich setze mehr auf symbolische Gesten der Athleten. Das fürchten die Chinesen.“

Aktionen wie 1968 als die US-Athleten Tommie Smith und John Carlos mit erhobener Faust gegen den Rassismus in den USA demonstrierten. Al-Sultan: „Ich würde den Boykott mittragen, wenn Deutschland ihn erklärt. Alleine fernzubleiben, das wäre wohl zu viel verlangt.“

Den Boykott werden die Funktionäre aber nicht ausrufen. Der Sport pocht nicht auf den Olympischen Frieden, darauf dass die Welt frei von Morden und Waffengeklirr ist.

Matthias Kerber

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