Das Duell der Adrenalinbolzen
Sie sind Freunde, Trainingspartner – und bei der WM in Schladming ab Freitag Konkurrenten um Gold: Felix Neureuther und Marcel Hirscher. Von Familie bis Form: Die AZ macht den Vergleich
SCHLADMING Vergangene Woche haben sie in Hinterreit bei Saalfelden noch gemeinsam trainiert, zusammen gegessen (Neureuther auf Facebook: „Bei Marcel gibt’s Süppchen”), doch am Freitag im Riesenslalom und am Sonntag im Slalom sind sie Konkurrenten um WM-Gold: Marcel Hirscher und Felix Neureuther, die besten Skifahrer Österreichs und Deutschlands. Der Vergleich.
Familie: Ist beiden sehr wichtig – und bedeutend für ihre Entwicklung zum Skirennläufer. Während der Garmischer mit Rosi Mittermaier und Christian Neureuther zwei überaus erfolgreiche Ski-Eltern hat, blieb Ferdinand Hirscher, Marcels Vater mit dem Heiner-Brand-Schnauzbart, die große Weltcup-Karriere versagt. In Annaberg, gar nicht weit entfernt von Schladming, wurde er Skilehrer, lehrte auch in Australien und in einer Skihalle in Holland. Seine spätere Frau Silvia lernte er beim Schneekettenauflegen kennen – eine Holländerin, ebenfalls Skilehrerin.
Trainer: Vater Neureuther scannt jeden Zentimeter, den sein Sohn zwischen den Stangen verbringt, hält aber große Stücke auf DSV-Coach Alfred Doppelhofer, der laut Neureu-ther senior großen Anteil hat am Aufschwung seines Sohnes, und der technischen Abteilung generell. Felix selbst sagt: „Ein knallharter Hund. Er sorgt dafür, dass wir uns nicht zufrieden geben.” Und dass Neureuther nicht mehr der Einzige ist, der aufs Podest fahren kann: Fritz Dopfer hat gewaltig aufgeholt und sorgt mit Stefan Luitz und Stephan Schmid für das für Neureu-ther so wichtige Gefühl, in einer Mannschaft zu fahren. Bei Hirscher sieht das anders aus: Ähnlich wie früher Marc Girardelli bildet er mit dem Vater fast ein Team im Team. Als die ÖSV-Trainer zu Beginn der Carving-Ära die Oberkörper-Rotation einführten, sagte Papa Hirscher: „Schmarrn! So fahren wir nicht!” Und ließ seinen Junior ohne Rotation fahren. Gab es Kritik an seinen Ego-Touren, drohte er, den Sohn für Holland starten zu lassen – wie damals Papa Girardelli, der Sohn Marc für Luxemburg starten ließ.
Material: Selten hat ein Athlet nach dem Wechsel der Skimarke einen solchen Leistungssprung gemacht wie Neureuther beim Wechsel von Atomic auf Nordica. „Wäre er doch mal ein paar Jahre früher gewechselt”, sagen viele. Die neuen Latten kommen der Fahrweise des Garmischers offensichtlich sehr entgegen. Kollege Hirscher schwört auf Atomic. Er sagt: „Ich sage denen, was ich will, und die bauen das dann so.” Auch hier spielt Vater Ferdinand die entscheidende Rolle: Immer wieder schaut er im Atomic-Werk in Altenmarkt vorbei, um sicherzustellen, dass der Sohn auch ja das richtige Material bekommt.
Hobbies: Beide sind rechte Adrenalinbolzen: Neureuther kauft sich im Sommertrainingslager in Neuseeland mit den Skikameraden Ligety & Co. stets für ein paar Dollar eine alte Rostlaube, baut sich in einem ausgetrockneten Flussbett eine Schanze und fliegt mit der Kiste so lange durch die Luft, bis die Karre den Geist aufgibt. Auch die Slackline hat es ihm angetan: Im Herbst balancierte er am Zugspitzgipfel über dem Abgrund. Auch Hirscher mag es spannend: Er liebt es, mit seiner Motocross-Maschine durchs Gelände zu schießen. Aber auch beim Turnen sieht man ihn des öfteren, was wiederum seine sensationelle Beweglichkeit erklärt.
Form: Da schenken sich die beiden derzeit nicht viel. Neureuther fährt in der Form seines Lebens, und Hirscher ist im Gesamtweltcup ähnlich dominant wie im Vorjahr. Im Riesenslalom dürfte er weiter vor Neureuther liegen als im Slalom. Spätestens am Sonntagnachmittag im letzten WM-Rennen wird Neureuther seinem Satz Nachdruck verleihen wollen: „Heuer wollen wir die Österreicher bei ihrer Heim-WM schon ein bisschen ärgern.”