Das Comeback des Capitano

Nun ist er zurück im Kreise der Nationalmannschaft: Für Michael Ballack beginnt heute die Vorbereitung auf die Europameisterschaft. Wie wichtig ist der Kapitän für das DFB-Team?
PALMA Trösten? Den Kapitän, den Boss des Teams, trösten?
Sieht eher ein wenig nach einschleimen aus – doch jeder der DFB-Kicker, die am Montag in Homburg Michael Ballack zum ersten Mal seit Ende März, seit dem Länderspiel in Basel, wiedersahen, hatte noch das eine Bild vor Augen: Der weinende Ballack im strömenden Regen von Moskau nach dem verlorenen Elfmeterschießen im Champions-League-Finale seines FC Chelsea gegen Manchester United.
Mit einigen der älteren Spieler stand Ballack im SMS-Kontakt, doch nun ist er zurück im Kreise der Nationalmannschaft. Ausgerechnet der wichtigste Spieler im Kader von Bundestrainer Joachim Löw musste kräftig aufgemuntert werden – dabei ist es eigentlich doch seine Rolle als Kapitän der Nationalmannschaft, auf die anderen Spieler einzuwirken.
„Er wird die Mannschaft anführen und das Turnier sicher prägen“, glaubt Löw. Doch am Dienstag im vorletzten EM-Test in Kaiserslautern gegen Weißrussland (17.45 Uhr) bekommt er nur eine kleine Dosis Nationalmannschaft. „Einen Teileinsatz wird er sicherlich haben. Es hängt auch mit davon ab, wie er sich selbst fühlt“, sagt Löw. Es sei aber wichtig, „dass er sich schnell wieder in der Mannschaft einfindet“.
Um zu spüren, was in der Mannschaft los ist, damit nach der Verabschiedung eines Trios am Mittwoch keine Unruhe in den Europameisterschafts-Kader kommt.
Ballack, der Boss. Ballack, der Regulator. „Wir verlangen von ihm ganz klar, dass er vorneweg geht und dass er den Teamgedanken vorlebt“, lobte ihn Teammanager Oliver Bierhoff. Es wird Ballacks 37. Einsatz als DFB-Kapitän, damit liegt er bereits an sechster Stelle der Liste aller Nationalelf-Spielführer. Ex-Bundestrainer und Bald-Bayern-Coach Jürgen Klinsmann hatte ihn, den er „Capitano“ nannte, nach der EM 2004 zum Boss befördert und Oliver Kahn degradiert. Doch wer hat bei vergangenen Turnieren den größten Einfluss auf die Mannschaft? Für die AZ verglich Andreas Brehme, selbst bei acht seiner 86 Länderspiele in Amt und Würden, die Kapitäne der letzten 20 Jahre.
Lothar Matthäus
(DFB-Rekordhalter mit 75 Auftritten als Kapitän bei 150 Einsätzen, der Leader bei den EM-Turnieren 1988 und 2000): „Er war der ideale Kapitän, weil er auf jeden zugegangen ist und mit jedem über dessen Probleme gesprochen hat, dabei hat er auch immer die jungen Spieler miteinbezogen. Wir haben zwar oft über Lothar gelacht, weil wir gesagt haben, der redet auch noch mit den Hunden, wenn’s nötig war. Aber er hat das gut gemacht. Meistens wusste er, wenn er den Leuten auf den Wecker ging. Und dass einige vor der EM 2000 versuchten, ihn zu stürzen, lag daran, dass Lothar ihnen zu mächtig war.“
Jürgen Klinsmann
(36 Auftritten als Kapitän bei 108 Einsätzen, der Leader bei der EM 1996): „Der Jürgen ist zwar immer seinen eigenen Weg gegangen und war als Eigenbrödler verschrien. Aber als er unter Bundestrainer Berti Vogts Kapitän wurde, hat er sich dennoch um alle und alles vorbildlich gekümmert. Besonders wichtig war, dass er jedem seinen Freiraum gegeben hat. Und nicht umsonst ist das Team 1996 mit ihm als Boss Europameister geworden.“
Oliver Kahn
(51 Auftritte als Kapitän bei 86 Einsätzen, der Leader bei der EM 2004): „Oliver war einfach deshalb ein wunderbarer Kapitän, weil er wie kein anderer die Professionalität und Konzentration aufs Wesentliche vorgelebt hat. Er war da für die Jungen fast ein Idol, was er gesagt hat, war Gesetz. Er war wie ein Feldherr, der in die Schlacht geht, dem seine Untertanen folgen.“
Und Michael Ballack?
„Die zwei Jahre in England bei Chelsea haben ihm gut getan“, sagte Brehme, „er wird bei dieser EM noch dominanter auftreten. Selbst bei Chelsea war er zum Teil Chef im Ring. Es ist gut, dass die Hierarchie im DFB-Team mit ihm als Primus ganz eindeutig geregelt ist. Wenn er gesund bleibt, wird Michael einer der besten Spieler des Turniers.“