„Da is’ überall was! Da muaßt hi!“

Der Skizirkus gastiert am Wochenende in Kitzbühel – und der Ort verwandelt sich in eine Partymeile. Doch nicht alle profitieren.
Thomas Becker |
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Didier Cuche - sein Sensations-Ritt über die Streif
dpa Didier Cuche - sein Sensations-Ritt über die Streif

Der Skizirkus gastiert am Wochenende in Kitzbühel – und der Ort verwandelt sich in eine Partymeile. Doch nicht alle profitieren.

Kitzbühel - Auf der Piste rauscht Fiona Swarovski an einem vorbei, funkelt aber gar nicht. Unten im Ort steuert Hansi Hinterseer einen dicken BMW Richtung Parkplatz, während Kollege Heino auch am Abend eine dunkle Brille trägt und seinen SUV frech vor dem Trachtenladen mitten auf dem Bürgersteig abstellt. Die Prominenz ist omnipräsent in Kitzbühel, Weltcup-Rennen hin oder her. Für viele im Ort bedeuten die drei tollen Tage jedoch den Ausnahmezustand. Zum Beispiel für die Geschäftsleute der Innenstadt.

Etwas mehr als 8000 Menschen leben in Österreichs bekanntestem Ski-Ort, doch wenn sich von Freitag bis Sonntag die weltbesten Skifahrer auf der Streif und am Ganslern-Hang messen, steigt die Bevölkerung kurzzeitig auf das Vielfache an: Mehrere Zehntausend Ski- und Glamour-Fans drängen sich dann in den Gassen, aus zig Lautsprechern wummert Après-Ski-Sound, gereicht wird Gegrilltes – und reichlich Alkoholisches. Party ohne Ende: Da sitzt der Geldbeutel locker. Doch nicht alle Kitzbüheler finden das Remmidemmi klasse, denn nicht alle verdienen so gut daran wie die Chefs der In-Schuppen „Jimmys“, „Take Five“ oder „Chizzo“.

Saban Yilmaz zum Beispiel nicht. Er ist Kutscher, steht seit 20 Jahren mit Kira und Loretta, seinen beiden Pferden, in der Fußgängerzone und wartet auf Kundschaft. 60 Euro kostet die einstündige Fahrt zum Schwarzsee und zurück, 120 Euro ein Ausflug nach Reith. „Aber wenn die Rennen sind, ist das alles für die Kundschaft nicht interessant“, sagt er. Zu seinem Stammplatz gegenüber vom Cafe Praxmair in der Innenstadt kommt er mit seiner Kutsche sowieso nicht: „Es ist ja alles voller Menschen. Die ganze Stadt ist komplett zu.“

Ein paar Meter weiter am Rathausplatz im Trachtenladen „Kitzbühler G’wand“ freut man sich dagegen auf den bevorstehenden Rummel. „Mei, wir sind dann halt zu zweit im Laden“, meint Renate Fil, „eine passt an der Tür ein bisschen auf.“ Auch an der Ecke Klostergasse/Franz-Reisch-Straße, sozusagen im Auge des Party-Orkans zwischen „Londoner“ und „Stamperl“, nehmen viele Läden die Hilfe von Security-Personal in Anspruch. „Seit vielen Jahren schon“, erzählt Anita Aschaber, die im „Engelhaus“ Pelze und ähnlich Hochpreisiges verkauft. „Türsteher haben wir seit mehr als zehn Jahren“, sagt die Blondine, „wenn du das Volk da draußen siehst, dann weißt du auch warum.“ Aber auf den Party-Marathon freut sie sich: „Da is’ dann überall was, da muaßt hi!“

Gegenüber im Klamottenladen „Browns Company“ ist man dagegen noch etwas skeptisch. „Wir machen das alles zum ersten Mal mit“, erzählt Maja Nasution, „wir sind erst seit Juli hier. Man hat uns schon gewarnt, dass da ganz schön viel getrunken und geklaut wird.“

Abgeklärt dagegen die Stimmung in der Goldschmiede „Atelier Schroll“. Schmuck und noble Uhren warten hier auf Kundschaft. Wenige Meter entfernt werden am Wochenende die Techno-Bässe wummern, während in der Werkstatt filigran gearbeitet wird. Samstags sei es dann schon ruhiger im Laden, sagt Mitarbeiterin Josefine, da die Einheimischen dann die Innenstadt meiden. Deshalb schließe man auch schon am Mittag, bevor nach dem Abfahrtsrennen das Party-Volk von der Strecke in die City strömt.

Auch beim italienischen Nobel-Designer „Moncler“ gegenüber von Saban Yilmaz’ Stammplatz, ist nach dem Rennen am Samstag um 14 Uhr Feierabend. „Das ist dann nicht mehr machbar, einfach viel zu viele Menschen“, sagt Regina Radtke, „einen Beigeschmack hat das ja auch. Sie wissen schon, was ich meine...“ Und meint die unzähligen Alkohol-Leichen. „Aber das gehört dazu, und ich finde, man kann auch einfach mal stolz sein, dass so viele Menschen in unsere Stadt kommen.“ Ein bisschen leiser gibt sie dann noch zu, dass sie während des Rennens ab und zu schon mal aus dem Laden rausgeht, ein paar Meter nach rechts läuft: zur Leinwand, Streif gucken!

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