Curling: Und am Ende reißt die Jeans
Garmisch-Partenkirchen – Der Plan sah so aus: Mal schnell nach Garmisch fahren, ein paar Steine übers Eis schubsen, dabei eine gute Figur machen – und eine nette Reportage über Curling schreiben. Diesen beruhigenden, unaufgeregten olympischen Sport, den deswegen viele gerne im Fernsehen schauen.
Die Realität jedenfalls sieht am Ende so aus: Meine Hose ist zerrissen, mein sportliches Selbstwertgefühl hat einen Knacks – und ich habe größten Respekt vor einem höchst komplexen Sport. Bevor ich allerdings einen Fuß auf die Curlingbahn des SC Riessersee setze, drückt mir mein Trainer Werner Hein einen Schlappen in die Hand. „Zieh den über deinen linken Fuß“, sagt Hein, erster Vorsitzender des Vereins. Mit dem rechten Fuß soll ich mit abstoßen, mit dem linken gleiten.
„Vorsicht bei den ersten Schritten“, sagt Hein. Als geübter Schlittschuhläufer und Wintersportler höre ich nur halb zu, setze den Fuß auf das Eis – und versuche mir nicht anmerken zu lassen, dass ich nicht halb so sicher stehe, wie ich es mir wünschen würde. Die erste Übung: mit dem Curling-Besen aus Kunststoff zur anderen Bahn-Seite gleiten.Ein Debakel: Während Hein mühelos neben mir dahinschwebt, zuckele ich Meter für Meter. Und dann falle ich. Trotz Stützhilfe. Und bevor ich überhaupt einen Stein in der Hand gehabt habe. Spätestens jetzt hat mich aber der Ehrgeiz gepackt.
Es geht ans Hack, ein Gummiklotz, von dem man sich abstößt, bevor man den Stein abgibt. Einen solchen bekomme ich noch nicht in die Hand. „Wichtig ist, Schwung mitzunehmen und stabil zu gleiten“, sagt Hein. Um nicht umzufallen, nehme ich den Schläger wieder als Stütze. Schon beim ersten Mal merke ich, welche erstaunlichen Anforderungen der Sport an die Tiefenmuskulatur stellt. Von der Fuß- bis zur Fingerspitze muss der Körper ständig stabilisieren. Nach ein paar Versuchen schaukele ich zwar immer noch, aber ich gleite.
Und bekomme nun von meinem Trainer einen Stein hingeschoben. Zuerst lerne ich: Der Schwung kommt ausschließlich durch den Abstoß vom Hack aus den Beinen. Der Arm macht fast gar nichts – außer dem Stein einen kleinen Dreh mitzugeben, damit der „curlt“. Zwei, drei Mal verhungern meine Steine weit vor dem „House“, dem Ziel auf der anderen Seite. Also schiebe ich umso fester an – und als ich mich nach vorne lehne, macht meine Hose ein sehr hässliches Geräusch. Durchgerissen, zwischen den Beinen.
Sei’s drum. „Lass’ uns einfach ein Spiel machen“, sagt Hein. Eine meiner Mitspielerinnen bringt den ersten Stein aufs Eis. Ich muss wischen – um ihn gegebenenfalls verlängern zu können. Nur: Ich komme nicht hinterher. Verzweifelt rutsche ich hinterher und schaffe nur noch ein paar Alibi-Wischer. Hein erklärt mir derweil die Grundzüge der Taktik: Wie Steine als Schutz für andere platziert werden, wie sich Curling-Teams wie im Schach Zug für Zug duellieren. Wie ein mutiger Stein die tollsten Strategien in Sekunden über den Haufen schießen kann. Gewinner und Verlierer gibt es in diesem Spiel nicht – ich bin einfach noch zu schlecht für einen fairen Wettkampf.
Bei den Curling-Übertragungen der Olympischen Spiele im Fernsehen schaue ich seitdem aber umso faszinierter zu: Wie die Profis mühelos über das Eis gleiten, den Stein aus dem Handgelenk drehen, wie sie als Team zentimetergenau zusammen arbeiten – und sogar noch beim Wischen elegant aussehen.
Infos: www.curlinggap.de
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