Crashgate: „Man will Flavios Kopf rollen sehen“

MONZA - Hat Briatore Piquet jr. befohlen, in eine Mauer zu fahren? Indizien dafür gibt es. Der Renault-Boss hält sich für ein Opfer einer Verschwörung. Strafanzeige gegen den Ex-Piloten.
Auf den großen Auftritt kann Flavio Briatore auch in den schwersten Stunden seiner Karriere nicht verzichten. Die Inszenierung, vor allem die Inszenierung seiner selbst, war ja schon immer die größte Stärke des italienischen Berufs-Charmeurs, den diese Mischung aus Großspurigkeit und wilder Männlichkeit zu einem der wichtigsten Strippenzieher in der Formel 1 gemacht hat. Briatore hat Freitagnachmittag also kurzfristig die in Monza im Fahrerlager versammelte Weltpresse zur Audienz geladen.
Rund drei Stunden davor hatte er schriftlich erklären lassen, Strafanzeige gegen seinen Ex-Fahrer Nelson Piquet junior und dessen gleichnamigen Vater wegen übler Nachrede und Erpressung eingereicht zu haben. Piquet wirft Briatore und Renault-Technikchef Pat Symonds vor, ihm vor dem Rennen in Singapur letztes Jahr befohlen zu haben, mit Absicht gegen die Mauer zu rasen, um seinem Teamkollegen Fernando Alonso so eine Siegchance zu verpassen.
Nun scharen sich unzählige Reporter, Fotografen und Kameramänner um das Renault-Motorhome, alle paar Minuten öffnet sich surrend die elektrische Schiebetür, Briatores Sprecherin erscheint und bittet nach und nach eine handvoll Reporter herein, penibel geordnet nach Nationalitäten. Dann schließt sich die Tür wieder, die Reporter setzen sich um einen Tisch - erst dann tritt Flavio Briatore aus einem Nebenraum.
Er setzt sich. Schüttelt die etwas schütter gewordene weiße Mähne nach hinten, schaut die Reporter mit seinen hellbraunen Augen, die ausnahmsweise nicht von einer Sonnenbrille verdeckt sind, an – und legt los. Und sagt das, was er schon die ganze Zeit sagt: Er sei das Opfer einer Verschwörung des Piquet-Clans. „Nelsinho ist ein verzogener Junge mit einem labilen Charakter“, sagt er. Nie würde er einem Fahrer vorschlagen, mit Absicht sich selbst und andere in Gefahr zu bringen.
„Nelsinho hatte 17 Unfälle im letzten Jahr. Keine Ahnung, ob die alle absichtlich waren“, sagt Briatore. Er sei sehr zuversichtlich, dass sich die ganze Angelegenheit in Wohlgefallen auflösen wird – und seine Klage gegen seinen Ex-Fahrer, dessen persönlicher Manager er auch ist, Erfolg haben wird. „Ich bin zu 80 Prozent zuversichtlich“, präzisiert Briatore.
Ganz sicher kann man sich in der Formel 1 ja nie sein. Vor allem nicht, wenn es wieder Mal um Macht, verletzten Stolz – und Köpfe geht. „Mir ist nur klar, dass jemand gerade Flavios Kopf rollen sehen möchte", sagte Brawn-Pilot Rubens Barrichello.
Neben dem Piquet-Clan dürfte das in diesem Fall vor allem Max Mosley sein. Der FIA-Präsident sicherte, wie er am Freitag zugab, Piquet junior Straffreiheit zu für den Fall, dass er auspackt. Mosley ist schon seit einiger Zeit nicht sonderlich gut auf Briatore zu sprechen. „Flavio will Bernies Job“, sagte Mosley, als die Hersteller im Frühjahr eine Piratenserie gründen wollten.
Oberzampano Bernie Ecclestone hat Briatore am Morgen besucht. „Wir haben uns über unseren Fußballklub unterhalten“, sagte Ecclestone nur. Die beiden besitzen den englischen Zweitligisten Queens Park Rangers. Über die Sache mit Piquet meinte Ecclestone nur: „Das ist doch schön. Das führt nur dazu, dass man wieder über Formel 1 spricht.“ Die Szene ist skandalerprobt. Auf Spygate 2007, als McLaren-Mercedes wegen Spionage zu einer Rekordstrafe von 100 Millionen Dollar verurteilt wurde, folgte Lewis Hamiltons Lügenaffäre 2009. Und nun eben Crashgate 08/09.
Am 21. September entscheidet nun der FIA-Weltrat über die Angelegenheit, Renault droht der Ausschluss aus der WM. Und Briatore? „Ich suche keinen neuen Job“, sagt er. Vielleicht muss er das bald aber.
Filippo Cataldo