Christian Neureuther im AZ-Interview über Felix Neureuther, dessen Gesundheit und Karriere

Christian Neureuther spricht im AZ-Interview über seinen Sohn, der kürzlich Vater wurde – und trotzdem auf die Bretter steigt: "Miri ist Leistungssportlerin und hat Verständnis dafür".
Der 68-Jährige ist der Vater von Skistar Felix Neureuther. Als Skifahrer gelangen ihm sechs Weltcup-Siege im Slalom.
AZ: Herr Neureuther, Glückwunsch zu Enkelin Matilda! Wie erleben Sie Ihren Sohn Felix als frisch gebackenen Vater?
CHRISTIAN NEUREUTHER: Sehr relaxed. Er ist ja generell im Laufe seiner Karriere sehr geerdet geworden. Und so eine Geburt verschiebt natürlich noch mal die Dimensionen. Wenn man dann so ein kleines Zwackl in der Hand hat, spürt man die Verantwortung.
Die spürt Ihr Sohn wohl auch. Mehr als einmal hat er betont, dass er noch nicht sicher ist, ob er am Saisonhöhepunkt teilnehmen will: Olympia in Südkorea. Mannschaftskollege Stefan Luitz hat uns erzählt, eigentlich müssten sich alle Sportler solidarisieren und die Spiele boykottieren – aber schon im nächsten Satz schränkt er ein: "Das wird nie passieren."
Wird es auch nicht. Aber immerhin gibt es jetzt eine Gewerkschaft beim DOSB. Eine sehr positive, wichtige Entwicklung. Ich hoffe, dass diese Gewerkschaft auch Macht bekommt und nicht finanziell abhängig vom DOSB bleibt, Stichwort Neutralität.
Eigentlich müsste jetzt das Bundesinnenministerium einen Teil des DOSB-Topfes für diese Art Gewerkschaft öffnen.
Schließlich sind die Politiker auf die mahnenden, fordernden oder auch nur informierenden Worte der Gewerkschaftsmitglieder angewiesen. Eine Athletenvertretung muss unabhängig sein, wie die beim Fußball, Golf, Tennis oder Eishockey – die sind stark! Da hat die Meinung der Athleten Gewicht – da müssen wir hin.
Eine Athletenkommission gibt es ja bereits.
Aber diese Athleten werden von oben so unter Druck gesetzt. Wenn du da kritisch bist oder mal richtig draufhaust, bist du beim nächsten Mal nicht mehr dabei.
Glauben Sie, dass die Spiele in Südkorea stattfinden werden? Auch aus dem Schweizer Lager gibt es ja viele kritische Stimmen.
Die Spiele werden stattfinden. Auch die politischen Oberhäuptlinge können das Thema Olympia nicht anlangen. International hat Olympia doch einen riesigen Stellenwert, immer noch. Olympia wird stattfinden. Der Felix wird mit Freude hinfahren, hoffe ich. Letztlich muss er das entscheiden. Aber nach wie vor ist Olympia halt Olympia.
Richtig Lust auf diese Spiele hat man ja als Wintersport-Fan nicht – und auf die nächsten Winterspiele in Peking schon drei Mal nicht.
Es ist eine Art Lawine von negativen Dingen, die am Ende einen großen Schneeball ergibt. Die Rosi und ich sind nach Südkorea eingeladen, und wir überlegen, ob wir hinfahren – weil das Flimmern fehlt. Früher wären wir zu hundert Prozent zu Olympia gefahren! Wo ist der Wert von Olympia hingekommen, dass ich überlegen muss, ob ich da hin will? Wir waren seit 1968 bei allen Olympischen Winterspielen und haben uns geschworen: Solange wir können, fahren wir immer zu Olympia!
Immerhin kommt 2026 wieder Norwegen mit Lillehammer als Ausrichter in Frage.
Das wäre die Hoffnung, dass das IOC von sich aus ein paar skibegeisterte Regionen in den Alpen oder in Norwegen aussucht, auf diese zugeht und sagt: "Ihr müsst jetzt nicht noch 20, 30 Millionen Euro für die Bewerbung ausgeben. Lasst uns mal zusammen schöne Olympische Spiele bauen!" Ein paar Schritte zurück, Stichwort Nachhaltigkeit. Jedes Unternehmen, das ein Imageproblem hat, versucht doch das zu korrigieren. Die Kriterien der Vergabe müssten zuerst geändert werden.
Aber wenn schon selbst die Tiroler sich gegen eine Olympia-Bewerbung entscheiden! Das ist, als würden Dortmunder oder Schalker sagen: "Keinen Bock mehr auf Fußball!"
Die Dortmunder und Schalker lieben Fußball, aber die Gesellschaft in Tirol, wo sie den Skisport lieben, hat sich wegbewegt, und das IOC hat nicht gemerkt, dass man sich auch verändern muss, um das Produkt überhaupt am Leben zu erhalten. Aber wir reden uns hier leicht. Als Thomas Bach im IOC etwas zu verändern, bei diesen jahrzehntealten Strukturen und gegenseitigen Abhängigkeiten und unterschiedlichen Blöcken – da will man nicht drinstecken.
Am Sonntag geht für Ihren Junior mit dem Slalom in Levi die Saison los. Danach stehen die Rennen in den USA an, allerdings nur ein Riesenslalom – wird er den womöglich zugunsten der Familie auslassen?
Nein, den fährt er schon. Sie haben jetzt auch in Levi eine Woche lang trainiert, werden das auch in den USA machen. Das ist ja das Tolle bei der Miri: Die ist Leistungssportlerin und hat Verständnis dafür. Die ist überhaupt der Wahnsinn.
Wird Sie mit der Kleinen zu dem ein oder anderen Rennen von Felix mitfahren?
Wahrscheinlich schon. Sie wollen das Kind halt nicht in der Öffentlichkeit zeigen.
Wie ist es um die Gesundheit von Felix bestellt?
Der Rücken ist soweit okay, jetzt kommt das Knie wieder – was mit den neuen Riesenslalom-Taillierungen vorhersehbar war. Die hatte man vor ein paar Jahren ja geändert, um die Knieprobleme zu reduzieren, dann ist es auf den Rücken gegangen, und jetzt geht es wieder aufs Knie. Aber das kriegt er schon in den Griff.
Vor ein paar Jahren hieß es, er fährt noch bis Olympia. Zuletzt klang durch, dass die Karriere noch weitergehen könnte.
Das muss man den Felix fragen. Ich glaube, dass er noch weiterfährt. Es kommt auf den Körper und die Leistung an, aber wenn’s läuft, wird er weiterfahren. Das musst du im Kopf entscheiden.
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