Champion dank Frauenlinie
Südtiroler Innerhofer gewinnt sensationell den Super-G – einfach„runder gefahren”.
Garmisch-Partenkirchen - Im Ziel war Hannes Reichelt nur noch erschöpft. „Ich hatte das Gefühl, ich muss auf allen Vieren rauskriechen, am liebsten hätte ich mich sofort hingelegt und geschlafen.“ Der Österreicher hatte gerade den zweiten Platz im Super-G gewonnen - und doch gegen die eisige und unerbittliche Kandahar verloren. Gesamtweltcup-Führender Ivica Kostelic sagte als Dritter: „Ich bin froh, dass ich heil unten angekommen bin.“
Sie alle hatten die schroffe Piste einfach nicht verstanden. Nur Überraschungssieger Christof Innerhofer wusste, wie er die Kandahar an diesem Tag anzupacken hatte. Er hielt es wie Maria Riesch und Co.: „Ich bin eine Frauenlinie gefahren, habe die Kurve weit genommen und bin runder gefahren“, erklärte der Südtiroler: Ein rustikaler junger Mann aus Bruneck, 1,86 Meter groß und 90 Kilogramm schwer, mit urigem Akzent. Man könnte ihn sich auch gut mit Sense in der Hand auf einer Almwiese in einem Tourismus-Werbespot vorstellen.
Während andere nach dem Rennen über Eis und Anspruch der Piste schimpften, meinte der 26-jährige Frauenlinienversteher nur: „Mir hat's gefallen. Ich habe mich im Schnee super wohl gefühlt." Dass Innerhofer am Ende mit einer Zeit von 1:38,31 Minuten alle hinter sich lassen würde, war eine Sensation.
Genau ein einziges Weltcup-Rennen hatte der 26-Jährige bisher gewonnen, sein größter Erfolg war Platz fünf im Super-G-Weltcup 2008/09. „Die vergangenen zweieinhalb Jahre hat für mich nicht viel geklappt", meinte er. Jetzt hat er sich zurückgemeldet: „Ich bin nicht mehr nur Trainingsweltmeister, sondern ein echter", Freude er sich.
Immerhin: Der Druck der Favoriten blieb ihm, der in der jüngeren Vergangenheit kaum Aufsehen erregte, erspart. Innerhofer, der den Triumph seinen Eltern widmete, konnte somit auch kaum enttäuschen. Ganz anders als etwa Didier Cuche. Der Titelverteidiger wurde nur Vierter, brauchte mehr als eine Sekunde mehr als Innerhofer. „Mein Problem waren die vielen Unebenheiten auf der Strecke“, sagte Cuche, „sie haben mich müde gemacht." Kostelic meinte sogar: „Es ist die schwerste Strecke, auf der ich je gefahren bin. Wir haben Energie verbraucht wie eine Nuklearzentrale." So gesehen war der 21. Platz vom Ennepetaler Andreas Sander durchaus ein erfolgreiches Ergebnis – auch, wenn er 4,09 Sekunden nach Innerhofer ins Ziel kam. Im Ziel wurde er nicht nur von seinem 35-köpfigen Fanklub aus der Heimat gefeiert – die ganze Arena jubelte über seine erfolgreiche Ankunft.
Tobias Stechert aus Oberstdorf, gehörte dagegen auch zu den Kandahar-Opfern, er scheiterte an einer tückischen Bodenwelle, schied aus. „Ich habe einen Schlag auf den rechten Fuß bekommen und dann ist die Bindung aufgegangen“, sagte er.
Die Piste belohnte an diesem Tag nur die Sanften - oder besser gesagt: Den kräftigen südtiroler Burschen, der auf der Kandahar ganz sanft gefahren ist.
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