Carolina Morace: Passionierte Streiterin

Berlin - Einfach hat Carolina Morace es den Leuten nie gemacht. Nicht den Frauen. Und noch weniger den Männern. Die einen fürchteten auf dem Platz die Torgefährlichkeit der heutigen Nationaltrainerin Kanadas – über 500 Tore erzielte Morace während ihrer aktiven Profi-Karriere –, den anderen musste sie erst mal klarmachen, dass man sie lieber nicht nur auf ihre wohlgeformten Beinen reduzieren sollte.
Sie hat es geschafft. Längst ist Morace voll akzeptierte und gern angehörte Fußball-Expertin, im italienischen Fernsehen diskutiert die Grande Dame des italienischen Frauenfußballs regelmäßig mit der Trainer-Legende Arrigo Sacchi über Fußball – Männerfußball. Einst war sie die erste Frau, die eine Männer-Profimannschaft trainierte. 1999 übernahm sie den Drittligisten Viterbese Calcio – und schmiss nach nur zwei Spielen im Streit mit Klub-Präsident Luciano Gaucci, der sein Machotum gerne zur Schau trägt, mit diesen Worten hin: „Ich bin doch kein Idiot”.
Nein, das ist Morace wahrlich nicht. Vielmehr ist sie eine der besten Trainerinnen der Welt. Die Kanadierinnen, Deutschlands erster Gegner am Sonntag (18 Uhr, ARD live) führte die 47-Jährige seit 2009 an die Weltspitze. Die Big Reds, wie die Mannschaft in Kanada genannt wird, gelten bei der WM als veritable Medaillenkandidaten. Und spielen mit den schönsten Fußball. Von Manndeckung, wie sie viele Nationen immer noch praktizieren, hält Morace nichts. Im Gegenteil: Die 47-Jährige, die einst mit 14 in der Squadra Azzurra debütierte und der einmal im Londoner Wembley-Stadion vier Tore in einem Spiel gelangen, hat ihren Fußballerinnen mühevoll ein gepflegtes Kurzpassspiel eingeimpft.
„Sie ist der Hauptgrund, warum wir besser sind als bei den letzten Turnieren. Wir wissen, dass wir noch nie so große Medaillenchancen hatten wie 2011”, sagt Kanadas Stürmer-Star Christine Sinclair, die in 159 Spielen 116 Tore erzielt hat: „Wir waren Leichtathleten. Carolina hat Fußballerinnen aus uns gemacht.”
Dass Morace bei den Übungseinheiten einen herben Ton pflegt, sie das Training am liebsten mit verschränkten Armen verfolgt und ihren Spielerinnen auf dem Platz das Lachen verboten hat und vor allem die Jüngeren im Kader sich sogar ein bisschen vor ihr fürchten, hat ihrer Beliebtheit bei den Spielerinnen keinen Abbruch getan. Als Morace Anfang des Jahres wegen allerlei Differenzen mit den Verbandsbossen mit einem Rücktritt liebäugelte, ihnen gar „oder feuert mich halt” zurief, drohten die Spielerinnen in den Streik zu treten, wenn sich Trainerin und Verband nicht einigen würden. Ohne die Trainerin wollten sie nicht nach Deutschland fahren. Sogar einen Anwalt nahmen die aufmüpfigen Aktiven.
Die Verbandsbosse knickten ein, erfüllten alle Forderungen der Trainerin. So wurden etwa die Prämien für die Frauen an jene der deutlich erfolgloseren Männer angeglichen. Morace macht weiter, mindestens bis 2012 vielleicht auch bis 2015 – dann wird die WM in Kanada stattfinden.