Bussi für den kaputten Ski
Maria Riesch gewinnt die Abfahrt von St. Moritz, obwohl sie sich im Training die Kante ruiniert hatte. Mit Glück vermeidet sie tags darauf im Super-G einen Sturz und eine schwere Verletzung.
ST. MORITZ Maria Riesch war überglücklich. Fast noch fröhlicher und erleichterter als am Samstag bei ihrem Sieg in der Abfahrt. Platz 10 beim Super-G von St. Moritz am Sonntag, eigentlich wäre das kein Grund zur Freude gewesen. Aber dass sie gesund und unverletzt geblieben war, das war ihr dann doch viel wichtiger als die vielen Punkte, die sie im Kampf um den Gesamt-Weltcup wieder gegen Lindsey Vonn eingebüßt hatte, schließlich hatte die US-Amerikanerin das Rennen am Sonntag gewonnen.
Auf halber Strecke hatte Riesch einen Rechtsschwung zu früh angesetzt, fuhr mit der Skispitze genau auf eine Torstange und konnte nur mit viel Artistik einen Sturz vermeiden. „Ein halber Zentimeter weiter rechts“, sagte Riesch, „und mich hätt’s fürchterlich geschmissen. In dem Moment sind mir schon 1000 Dinge durch den Kopf, dass Olympia vielleicht schon wieder ohne mich stattfindet, wenn es mich jetzt hinhaut.“ Aber dann kam Riesch doch noch unversehrt durch, im letzten Rennen vor Vancouver.
Dort ist sie spätestens seit dem Sieg am Samstag auch Mitfavoritin auf die Goldmedaillen. Das freute auch Trainer Mathias Berthold und Alpinchef Wolfgang Maier, vor allem aber waren sie glücklich über das Ende der Material-Diskussion.
Denn hatte Riesch angesichts von Vonns bisheriger Dominanz noch letzte Woche überlegt, auf die aggressiveren Männer-Ski umzusteigen, triumphierte sie in St. Moritz doch wieder mit Frauen-Skiern. Und das auch noch mit kaputten.
Mit dem Ski, mit dem sie zehn Tage zuvor beim Training in Cortina über einen Stein gefahren war und sich damit die Kante ruiniert hatte. Rund 20 Paar Abfahrts-Ski hat Riesch in der Saison mit dabei, da hätte sie auch leicht andere nehmen können. Doch Riesch wollte die alten Bretter. „Auf denen fühlt sich die Maria einfach am wohlsten“, sagte ihr Servicemann Stefan Böhler, der dann mit dem Präparieren der Kante natürlich viel Arbeit hatte.
Mit frischem Schliff fuhr Riesch also zum ersten Abfahrtssieg seit mehr als drei Jahren, seit Dezember 2006 in Lake Louise. Und so gab es nach dem 13. Weltcup-Sieg der Karriere innige Umarmungen für Böhler und ein Bussi für den Ski. Für sie selbst gab es viel Lob von den Verantwortlichen. „Wahnsinn“, sagte Chefcoach Berthold, „das ist schon eine geile Leistung.“
Am Sonntag freilich nach dem Ergebnis im Super-G fiel das Fazit von Alpinchef Maier schon durchwachsener aus. „Mal steil bergauf, plötzlich wieder runter“, sagte er zum Wochenende im Engadin, das ein Spiegelbild von Rieschs gesamtem Saisonverlauf war. „Das war die klassische Achterbahn, andere zahlen dafür Eintritt.“ Riesch dagegen bekommt dafür noch Prämien. Allein in dieser Saison gewann sie durch ihre Erfolge bereits rund 300 000 Euro an Preisgelder.
Noch mehr freilich, knapp 400 000 Euro, kassierte in dieser Saison Lindsey Vonn. Durch ihren Sieg am Sonntag im Super-G sicherte sich Vonn nicht nur vorzeitig den Gesamtsieg in dieser Disziplin, sie baute auch die Führung im Gesamt-Weltcup auf 134 Punkte vor Riesch aus.
Die scheint im Duell um die große Kugel bereits resigniert zu haben. „Ein zweiter Platz ist doch auch gut“, sagte sie und gab sich dafür in Richtung Olympia angriffslustig: „Ich will eine Medaille, am besten Gold.“ Die besten Chancen hat sie darauf in Slalom, Abfahrt und Kombination, mit Abstrichen im Super-G, ganz vage auch noch im Riesenslalom. Ein Olympiasieg würde ihr schon reichen, ob mit kaputtem Ski oder nicht. Dann gibt sich Riesch sicher die Kante.
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