Buchmann geht es besser, aber weit weg von optimal
München - AZ-Interview mit Ralph Denk: Der 46-Jährige ist Teamchef des Radsportteams Bora-hansgrohe, das seinen Sitz in Raubling bei Rosenheim hat und nun in seine siebte Tour de France geht.

AZ: Herr Denk, am Samstag beginnt die Tour de France. Die wichtigste Frage an den Teamchef vorneweg: Wie geht es Ihrem Topfahrer Emanuel Buchmann nach seinem Sturz, bei dem er sich starke Prellungen zugezogen hat?
RALPH DENK: Besser, aber weit weg von optimal. Wir haben lange mit ihm gesprochen und mit uns gehadert, am Montagabend haben wir dann gemeinsam entschieden, dass er es bei der Tour versucht. Man muss aber klar sagen: Wenn eine Vorbereitung in den letzten zwölf Tagen so empfindlich gestört wird, dann muss man darüber nachdenken, bei den Zielen kleinere Brötchen zu backen.
Nach Platz vier im Vorjahr war Buchmanns Ziel das Podium. Was hätten Sie ihm ohne den Sturz zugetraut?
Nachdem, was ich bei der Dauphiné, dem wichtigsten Vorbereitungsrennen, gesehen habe, wo er stets bei den Besten dabei war, hätte ich ihm einen Platz unter den ersten Drei zugetraut. Jetzt können wir nur von Tag zu Tag schauen. Wir müssen uns ansehen: Wie kommt er in die Tour rein? Wie sind die Schmerzen? Dementsprechend werden wir auch die Ziele justieren.
Denk: Manche Unfälle gehören zum Berufsrisiko
Es gab ja zuletzt heftige Diskussionen um die vielen Stürze und die riskante Streckenführung, über die sich die Profis beschwerten. Wie sehen Sie die Thematik?
Man muss sich die Stürze differenziert ansehen. Der bei der Polen-Rundfahrt, als Fabio Jakobsen in die Absperrgitter stürzte, wäre sicher glimpflicher abgelaufen, wenn dort im Zielbereich gute Gitter gestanden hätten. Da fehlen einheitliche Standards vom Weltverband und es muss dringend nachgebessert werden. Die Stürze bei der Dauphiné, wo ja auch Emanuel in der Abfahrt betroffen war, oder von Remco Evenepoel, der die Brücke hinabfiel, gehören hingegen zum Berufsrisiko. Jeder will Radrennen sehen, die durch die Berge und durch schöne Landschaften führen und nicht über eine Autobahn. Auf diesen Strecken kann man nicht jeden Meter absichern.
Auch Max Schachmann geht stark lädiert in diese Tour de France. Wie geht es ihm momentan nach seinem Schlüsselbeinbruch?
Ähnlich wie Emanuel, nicht optimal. Er hat nicht so gut trainiert und regeneriert, weil er nicht gut geschlafen hat wegen der Schmerzen. Auch hier gilt: Wir müssen von Tag zu Tag schauen. In Normalform ist Max immer gut für einen Etappensieg und eine wichtige Stütze für Emanuel Buchmann im Hochgebirge.
Der unumstrittene Topstar des Teams war lange Peter Sagan. Nun haben Sie mit Nils Politt einen weiteren Klassikerspezialisten fürs kommende Jahr verpflichtet. Muss sich Sagan bei der Tour empfehlen, damit er im Team bleiben kann? Er ist immerhin einer der teuersten Radprofis.
Es hat sich oft gezeigt, dass man im modernen Radsport mit Doppelstrategien fahren muss. Und die lautet für die Klassiker bei uns im nächsten Jahr: Sagan und Politt. Sagan hat noch bis Ende 2021 bei uns Vertrag, und an dem wird nicht gerüttelt.

Peter Sagan war in den vergangenen Jahren sehr wertvoll für die Marke Bora-hansgrohe, weil er als internationaler Topstar viel Aufmerksamkeit fürs Team generiert hat.
Wir haben Peter Sagan viel zu verdanken. Man darf nicht vergessen: Er hat 2017 als amtierender Weltmeister bei uns, einem Zweitliga-Team, unterschrieben. Das ist so, wie wenn Lionel Messi zu Arminia Bielefeld wechseln würde. Damit hat er großen Mut bewiesen. Er hat fürs Team wahnsinnig viel geleistet, weil er die Mannschaft weiterentwickelt und den medialen Druck von den jungen Talenten wie Pascal Ackermann oder Maximilian Schachmann weggenommen hat, die jetzt so überzeugend fahren. Dafür sind wir ihm sehr dankbar.
Heißes Duell zwischen Roglic und Bernal
Wer ist für Sie eigentlich der Topfavorit auf den Tour-Gesamtsieg?
Es läuft auf das Duell hinaus: Primoz Roglic gegen Egan Bernal. Dahinter gibt es eine zweite Reihe mit Thibaut Pinot, Mikel Landa, vielleicht Tadej Pogacar, vielleicht auch Emanuel Buchmann. Aber ich glaube, die große Schlacht wird zwischen Ineos mit Bernal und Jumbo mit Roglic geschlagen.
Zum Abschluss noch eine Frage zu der Philosophie von Bora-hansgrohe in der Zukunft: Sie haben in letzter Zeit viele der guten deutschen Fahrer unter Vertrag genommen. Soll das ein bisschen in die Richtung deutsche Nationalmannschaft gehen, so wie es früher etwa beim Team Telekom der Fall war?
Das muss ich verneinen. Wir haben uns mit unseren Sponsoren darauf verständigt, dass die vier, fünf besten deutschen Fahrer bei uns fahren sollen, sofern sie auch finanzierbar sind. Aber ich brauche nicht noch die Nummer 13 aus Deutschland, weil uns die internationale Ausrichtung ebenfalls sehr wichtig ist, da auch unsere Geldgeber auf den internationalen Märkten aktiv sind. Die besten deutschen Fahrer gerne, aber auch die ausländischen Fahrer haben bei uns ganz klar ihre Daseinsberechtigung.
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