"Britta hätte das nicht tun sollen"
Statt nach ihrem K.o. dem Team beizustehen, ist die entthronte Weltmeisterin Britta Steffen überraschend aus Shanghai abgereist. Hier sagt Ex-Kollegin Janine Pietsch, was sie davon hält
AZ: Frau Pietsch, Britta Steffen hat nach ihren Vorlauf-Aus über 100 Meter Freistil alle weiteren Starts – auch jenen mit der Lagen-Staffel – abgesagt. Am Freitag ist sie überstürzt heimgereist. Sogar Bundestrainer Dirk Lange wurde von dieser Entscheidung überrascht. Was halten Sie von Steffens Verhalten?
JANINE PIETSCH: Damit lässt sie ihre Mannschaft hängen. Gerade sie, die vorher noch gesagt hat, das Team müsse zusammenhalten. Viel schlimmer finde ich aber, dass die Trainer da mitspielen. Ich hätte mir gewünscht, dass ihr Trainer und der Bundestrainer in der Angelegenheit ein Mitspracherecht haben und Britta Steffen überzeugen können, bei der Staffel mitzuschwimmen. Davon einmal abgesehen, denke ich, dass Britta Steffen sich selbst keinen Gefallen getan hat. Britta hätte das nicht tun sollen. Denn jetzt wird über sie schlecht geredet.
Ihr Freund Paul Biedermann sagt aber: „Was Britta hier abkriegt, hat sie nicht verdient.”
Es macht die Sache für einen persönlich nicht besser, wenn man zu schnell aufgibt. Sie hat ja noch gesagt, dass sie sich fit fühlt. Ich finde, man muss auch mal verlieren können.
Sie selbst mussten Ihre Profi-Karriere unfreiwillig beenden – wegen eines bösartigen Tumors in der Brust. Werden Sie nicht wehmütig, wenn Sie nach Shanghai blicken?
Nein, im Gegenteil. Seit meiner Krebserkrankung denke ich mir: Puh, zum Glück musst du da nicht mehr stehen. Der Druck im Leistungsschwimmen war für mich viel zu hoch. Du schwimmst, egal, wie schlecht es dir geht. Auch unter Schmerzen. Oder wenn du eine Grippe hast, unter Antibiotika. Denn du fühlst dich verantwortlich, es ist nun mal dein Job. Sicherlich hat das auch in meine Erkrankung mit reingespielt.
Ihre Freundin Franziska van Almsick kommentiert für die ARD die WM in Shanghai. Haben Sie noch Kontakt zu ihr?
Ja, sie hat mich damals in der Klinik besucht. Da hatte ich schon eine Glatze, wegen der Chemotherapie. Aber Franzi hat ganz normal reagiert und wir haben uns wie früher unterhalten. Franzi und ich sind uns schon verdammt ähnlich. Wir sind wie seelenverwandt: Beide zwei Ostberliner Gören mit einer großen Klappe, ansonsten sind wir aber ganz lieb und offen.
Seit einem Jahr sind Sie nun Trainerin bei der SG Stadtwerke München. Wie ist die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen?
Mit ihnen kann ich meine Zeit als Schwimmerin Revue passieren lassen. Es ist unglaublich schön, das wiederzugeben, was man selbst erlebt hat. Allerdings muss ich auch dazulernen. Denn jetzt stehe ich auf der anderen Seite. Ich bin in dieser Rolle als Trainerin, aber gleichzeitig auch wie eine Mutter und Psychologin für die Kinder.
Die Chemotherapie haben Sie hinter sich, derzeit sind Sie in Hormonbehandlung. Wie geht es Ihnen damit?
Soweit ganz gut. Mit Nebenwirkungen muss ich leben.
Welche Nebenwirkungen sind das?
Hitzewallungen, Migräne-Attacken, Gelenkschmerzen. Ich bin quasi künstlich in den Wechseljahren. Aber damit lernt man umzugehen. Man kann nicht ständig rumnörgeln. Es ist wichtig, die Dinge positiv zu sehen. Den Krebs habe ich damit schon besiegt.
Was macht die Liebe?
Während der Chemotherapie war ich ganz froh, dass ich Single war. Denn ich habe die Zeit gebraucht, um mein Leben neu zu ordnen. Meine letzte Beziehung ging kurz vor der Therapie in die Brüche. Vorher war ich selten allein. Ich war fünf Jahre mit einem Schwimmer zusammen und fünf Jahre mit einem Tennisspieler. Heute bin ich wieder offen für Neues, ich fände es schön, wenn da wieder ein Mann an meiner Seite wäre.
Hätten Sie gerne Kinder?
Ja. Aber das wird wohl noch ein Weilchen dauern. Die Therapie geht bis 2014, bis dahin kann ich keine Kinder kriegen.