„Briggs wäre beim Bodybuilding besser aufgehoben“

Vor dem WM-Kampf am Samstag kontertVitali Klitschko die verbalen Angriffe seines Gegners – und erzählt, wieso sein Sohn niemals einen seiner Fights live am Ring verfolgen wird.
Abendzeitung |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Shannon Bigs hat bisher vor allem mit Provokationen auf sich aufmerksam gemacht.
dpa Shannon Bigs hat bisher vor allem mit Provokationen auf sich aufmerksam gemacht.

Vor dem WM-Kampf am Samstag kontertVitali Klitschko die verbalen Angriffe seines Gegners – und erzählt, wieso sein Sohn niemals einen seiner Fights live am Ring verfolgen wird.

AZ: Herr Klitschko, am Samstag verteidigen Sie Ihren WM-Gürtel gegen Shannon Briggs. Können Sie sich erinnern, wann Sie zuletzt einem Mann gegenüberstanden, der noch muskelbepackter ist als Sie selbst?

VITALI KLITSCHKO: Nein, aber die Größe eines Bizeps hat mich noch nie beeindruckt. Briggs präsentiert ja gerne seinen Körper, er hat ja schon bei der Pressekonferenz versucht, mich zu beeindrucken. Aber Shannon, ich habe eine Nachricht für Dich: Das wirkt bei mir nicht. Vielleicht wäre Briggs beim Bodybuilding besser aufgehoben. Die Qualitäten, die einen Boxer zu etwas Besonderem machen, haben nichts mit seinem Muskelumfang zu tun. Worauf es ankommt, werde ich ihm am Samstag gerne zeigen.

Briggs hat auch den Psychokrieg eröffnet, Sie aufgefordert, Ihre Position als Unesco-Botschafter aufzugeben, weil Sie Asthmatiker beleidigt hätten. Briggs, der selber an dieser Krankheit leidet, versprach, Sie im Namen der 300 Millionen Asthmatiker auszuknocken.

Briggs nimmt es mit der Wahrheit nicht sehr genau. Ich habe keinen einzigen Asthmatiker beleidigt, ich habe gesagt, dass ihn die Krankheit nicht sehr behindert. Er hat den WM-Titel gewonnen, indem er Sergey Liakowitsch in der letzten Runde ausgeknockt hat. Da hat er wohl genug Luft gekriegt. Für mich sieht es so aus, dass er sich jetzt schon Entschuldigungen zurechtlegt, die er dann bringen wird, wenn ich ihn ausgeknockt habe. Ich würde mich nicht, als kranken Mann in der Öffentlichkeit verkaufen. Was soll das? Soll ich mal alle Verletzungen und Krankheiten auflisten, die ich in meinem Leben und meiner Karriere hatte? Die Liste wäre lang. Ich verspreche, dass dieser Kampf sehr dramatisch wird. Nicht für mich, sondern für Briggs.

Sie sind jetzt 39 Jahre alt, wie lange wollen Sie eigentlich noch boxen?

Ich habe erst kürzlich im Spiegel gesehen, dass ich immer mehr graue Haare kriege. Da habe ich mir gesagt: Vitali, Du wirst nächstes Jahr 40 und du hast immer noch nichts besseres zu tun als andere Menschen zu verprügeln? Aber um auf Ihre Frage zu antworten: Ich weiß es nicht. Mein Pulver ist noch nicht verschossen und ich habe immer noch viel Spaß an dem, was ich tue.

Ihr Sohn Egor-Daniel, der jetzt 11 Jahre alt ist, war zuletzt bei Wladimirs Titelverteidigung gegen Samuel Peter live am Ring. Wird er auch beim Briggs-Fight dabei sein?

Auf keinen Fall! Die psychische Belastung für ihn, aber auch für mich, wäre zu groß. Er wird den Kampf auch nicht live im Fernsehen sehen, er muss um diese Zeit schlafen. Nein, ich will nicht mehr so lange boxen, dass ich denke, er wäre alt genug, bei einem meiner Kämpfe zuzuschauen. Ich hatte ja schon vor dem Wladimir-Kampf einen heftigen Streit mit meiner Frau. Sie sagte, das ist nichts für ihn. Ich sagte, er ist alt genug. Sie sagte: Du bist bescheuert. Aber so bescheuert, dass er bei meinen Fights dabei ist, bin ich sicher nicht.

Sie sind Boxer, Politiker, Unesco-Botschafter, Vater und Ehemann. Da muss doch etwas zu kurz kommen! Oder haben Ihre Tage 48 Stunden?

Nein, und es ist sicher so, dass meine Frau vieles übernehmen muss, was eigentlich meine Aufgabe ist. Sie sagt auch manchmal, du hast Zeit für alle Kinder der Welt, in Brasilien, in Rumänien, in der Ukraine, nur deine eigenen sehen dich kaum. Ich bin sicher ein Wochenend-Vater, aber dann nehme ich mir auch alle Zeit der Welt für meine drei Kinder. Und am Ende des Tages bin ich dann so fertig, dass ich mich frage, wie meine Frau das jeden Tag durchsteht. Mein Sohn hat jetzt auch angefangen Schlagzeug zu spielen, meine Tochter spielt Klavier und ich etwas Gitarre.

Also tritt die Klitschko-Family bald die Nachfolge der Kelly Family an...

(lacht) Mal sehen.

Sie sind Multi-Millionär. Warum tun Sie sich eigentlich die politische Arbeit in der Ukraine noch an.

Weil es meine Heimat ist, es ist das Land, in dem meine Eltern leben, in dem meine Großeltern begraben sind. Ich bin dem Land verbunden und verpflichtet. Aber es ist sehr schwer. Die Korruption ist ein Monster, das alles zerfrisst – und zwar von innen. Meine Frau nennt mich auch manchmal Don Quichotte, weil ich gegen Windmühlen kämpfe. Aber ich sehe es nicht als einen aussichtslosen Kampf, nur einen langen Kampf. Und um nur noch Rentner zu sein, bin ich viel zu jung.

Verraten Sie uns doch, wovor ein Mann wie Sie eigentlich Angst hat?

Ich habe Angst, wie jeder andere Mensch. Aber ich will mich hier nicht als Angsthase präsentieren. Es gibt auch Momente im Ring, wo man Angst hat. Und wissen Sie was? Das ist der Grund, warum ich meine Gegner schlage, bevor sie mich treffen können. So kann mir nichts passieren. Angst kann motivieren, aber sie kann dich auch lähmen. Sie ist wie ein Gift: Es kann dich töten, aber es kann dir als Gegengift auch das Leben retten.

Woher kommt eigentlich Ihr Hang zu philosophischen Formulierungen?

Ich lese gerne Philosophen. Diese Fähigkeit, auch die kompliziertesten Sachverhalte in zwei Worten oder einem Satz zusammenzufassen, fasziniert mich. Da ist der menschliche Geist in seiner höchsten Vollendung.

Und wer ist der Schwergewichtsboxer in der höchsten Vollendung in dieser Ära? Sie oder Ihr Bruder Wladimir?

Wir haben sehr unterschiedliche Stile. Aber ich habe immer gesagt, Wladimir ist technisch mit Abstand der beste Schwergewichtler der Welt. Alle anderen, und das sage ich als Box-Experte, sind ganz weit weg vom Niveau meines Bruders. Er hatte nur eine Schwäche und das sage ich als Box-Experte. Er hatte Angst, getroffen zu werden, er wollte Schlägen immer ausweichen und war dadurch manchmal zu vorsichtig. In seinem Kampf gegen Samuel Peter im September habe ich einen ganz anderen Wladimir gesehen. Er ging mit der Intention in den Ring, Peter zu zerstören. Es war ihm egal, ob er dabei auch ein paar Schläge nehmen muss. Das war ein neuer Wladimir. Er wird zu einem kompletten Fighter. Wir haben ja unserer Mutter versprochen nie gegeneinander zu boxen. Früher war Wladimir vielleicht froh, dass wir das getan haben, langsam könnte es sein, dass das Glück da auf meiner Seite ist.

Interview: Matthias Kerber

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.