Boxen-WM: Hauen und Stechen – Werfen und Verlieren

Tyron Zeuge gibt gegen Rocky Fielding seinen WM-Titel ab. "Das Herz in der Hose" - Trainer Jürgen Brähmer sorgt für einen Skandal.
Matthias Kerber |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News

Weltmeisterlich war an dieser Darbietung nichts. Der Berliner Tyron Zeuge, der letzte Deutsche, der noch einen WM-Gürtel um seine Hüfte schnallen durfte, taumelte gegen den britischen Herausforderer Rocky Fielding in der vierten Runde durch den Ring, er versuchte immer wieder, sich wegzudrehen. In der fünften Runde ging der 26-Jährige nach einem Lebertreffer direkt vor seiner Ecke zu Boden. Trainer Jürgen Brähmer schaute ihm in die Augen, dann hatte er genug, er warf das Handtuch. Aus, vorbei, weg der Titel. Erstmals seit 14 Jahren gibt es hierzulande keinen Champion mehr.

"Der Abbruch war die beste Entscheidung, die Brähmer treffen konnte", sagte Ringarzt Professor Walter Wagner danach der AZ, "Brähmer hat die völlige Zerstörung von Zeuge verhindert." Doch auch so fiel das Urteil von Deutschlands Box-Ikone, Ex-Weltmeister Graciano Rocchigiani, vernichtend aus: "Dem ist das Herz in die Hose gerutscht. Bei den Schlägen zeigt er Angst. Für mich ist er in dieser Gewichtsklasse zu schwach, boxerisch und vom Herz", sagte Rocchigiani, "für mich wird er sowieso kein Weltmeister mehr."

Richtig wild ging es nach der Demontage von Zeuge zu

Trainer Brähmer der sich seit Monaten mit dem Boxstall Sauerland, dem Zeuge noch angehört, in Streitigkeiten befindet, griff sich, wie ein Augenzeuge der AZ bestätigte, eine Wasserflasche. Er donnerte sie Richtung Frederick Ness, dem bisherigen Sauerland-Geschäftsführer, der jetzt nur noch Berater ist. Die Flasche traf Ness an der Schulter, zudem Jochi, die Ehefrau Wilfried Sauerlands, und den Seniorchef persönlich (siehe Interview unten). "Wenn ich nicht rechtzeitig aufgestanden wäre, hätte mich die Flasche am Kopf getroffen", sagte Jochi Sauerland empört und brachte das Corpus Delicti zur anschließenden Pressekonferenz mit. Bei der ließen sich weder Brähmer noch Zeuge sehen.

Luft machte sich Brähmer, der mehrfach wegen Körperverletzung vorbestraft ist, beim Interview im Ring durch den übertragenden Sender Sport1. Seine Emotionen hatte er kaum unter Kontrolle. Zeuge, der seinen bis 2019 laufenden Vertrag mit Sauerland gekündigt hat, sei zu dem Kampf gezwungen worden. "Wir wissen alle, an wem es lag – sicher nicht an Tyron. Wir hatten gerade einmal sechs Wochen Vorbereitung", polterte Brähmer, "mit dem Saftladen hier wird das deutsche Boxen sicher nicht erfolgreich."

Sauerland: "Ich werde nicht zulassen, dass Herr Brähmer meine Frau attackiert"

"Ich werde nicht zulassen, dass Herr Brähmer meine Frau attackiert", sagte Sauerland, der sich mit seinen Anwälten beraten wird, ob er Strafanzeige stellen soll. Klar ist: Der Konflikt zwischen Brähmer, der dem Sauerland-Stall vorwirft, offene Rechnung im fünfstelligen Bereich nicht beglichen zu haben, ist endgültig eskaliert, seit Wochen wird nur noch über die Anwälte kommuniziert. Sauerland warf Brähmer wiederum vor, Zeuge falsch eingestellt zu haben. "Zeuge hat zu offensiv geboxt, er ist ein Konterboxer. Das war die falsche Taktik vom Trainer."

Klar ist auch: Obwohl es eine freiwillige Titelverteidigung war, hatte der Sauerland-Stall keine Rückkampf-Klausel vereinbart. Das bezeichnete Brähmer als "Witz". "Wir haben normalerweise keine Rückkampfklauseln", behauptete Sauerland über das eigentlich übliche Prozedere. Bei einigen Geschäftspartnern sei dies nicht nötig. Etwa den Engländern. "Da konnten wir uns noch immer einigen", sagte Sauerland. Fraglich nur, ob man sich in der angespannten Lage mit Zeuge überhaupt einigen will. Die Klausel hätte das verhindert, aber dann hätte man jetzt kein Druckmittel gegen Zeuge.
Das deutsche Boxen – ein Hauen und Stechen, ein Werfen und Verlieren und Taktieren.

Lesen Sie hier alle Meldungen aus dem Sport-Ressort

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.