Boxen: Tyron Zeuge überzeugt und liefert Machtdemonstration
München - Ulli Wegner ist für seine knorrige-kauzigen Pathos-Ansprachen berühmt-berüchtigt. Es braucht ganz besondere Momente, ganz besondere Darbietungen, um dem Kulttrainer schwärmerisches Lob zu entlocken.
Kurz nach Mitternacht an diesem Sonntagmorgen war es soweit. Wie ein frischverliebter Jungspund, der seiner Angebeteten ewige Liebe verspricht, stand der 75-Jährige da und erklärte in entrückter Verzückung über seinen Ex-Schützling Tyron Zeuge: "Das war eine Box-Demonstration. Er hat doch jede Runde gewonnen. Das haben wir in Überlegenheit dieser Art in Deutschland schon lange nicht mehr gesehen."
"Hat Spaß gemacht"
Wahre Worte! Der 25-jährige Zeuge, der letzte deutsche Boxweltmeister (Supermittelgewicht), hat bei seiner zweiten Titelverteidigung gegen den britischen Routinier Paul Smith (34), der ja gegen Arthur Abraham bereits zwei Mal um die WM geboxt und diesem teilweise extrem zugesetzt hatte, seinen mit Abstand besten Profikampf gezeigt.
Variabilität in den Schlägen, stark verbesserte Beinarbeit, beeindruckendes Distanzgefühl, dazu die Taktik von Trainer Jürgen Brähmer perfekt umgesetzt. Smith hatte im ganzen Kampf nicht den Hauch einer Chance, verlor durch einstimmiges Punkturteil (drei Mal 119:108). "Es hat Spaß gemacht", sagte der etwas maulfaule Zeuge, "aber mein Trainer wird sicher trotzdem was finden, woran er etwas auszusetzen hat." Doch Brähmer meinte: "Tyron hat heute so geboxt, wie ich das sehen wollte."
"Zeuge ist Vertreter einer neuen Generation im deutschen Boxen. Jugend, Schnelligkeit und Beweglichkeit haben den Unterschied gemacht. Deutschland hat ein sehr interessantes Talent", sagte Smith-Promoter Eddie Hearn. Sein Kämpfer hatte die Pressekonferenz nach dem Fight verpasst, weil er zur Behandlung eines Cuts ins Krankenhaus gefahren war. Zeuges Auftritt macht Hoffnung, dass Boxen in Deutschland doch eine Zukunft hat. "Das war weltmeisterlich, ein echter Champion. Der Junge macht mich stolz", schwärmte Promoter Kalle Sauerland, "dass Tyron gewonnen hat, ist für den gesamten deutschen Boxsport von immenser Bedeutung."
Rematch gegen Ekpo
Der Vielgelobte gönnte sich nach dem Belohnungsschmatzer von Freundin Mandy erstmal "ein Bierchen". Seine vielgeliebte Currywurst wird er sich "Montag oder Dienstag" einverleiben. Dann, wenn sein Management bereits an den nächsten lukrativen Fights arbeitet. Klar ist, dass in den nächsten Monaten ein Rematch gegen Isaac Ekpo geben soll, den Zeuge im März durch einen verletzungsbedingten Abbruchsieg zwar bezwungen hatte – doch hatte er bei dem Fight nicht überzeugen können.
Und dann gibt es die im Herbst startende "World Boxing Super Series". Die Acht-Mann-Turniere dieser Serie im Supermittelgewicht und Cruisergewicht sind mit 50 Millionen Dollar dotiert. Pro Gewichtsklasse darf ein Deutscher starten. Am 8. Juli werden bei einer Gala in Monte Carlo die Teilnehmer bekannt gegeben. "So ein Turnier ist ein großer Anreiz", meinte Zeuge.
Genau wie ein Kampf gegen Altmeister und Stallkollege Abraham. "Wir sind Kämpfer, wir treten gegen jeden an", sagte Zeuge. Abraham, der am 15. Juli in London gegen Chris Eubank um die WBO-WM boxt, meinte: "Das entscheidet das Management." Das setzt auf Zeuge, aus dem 37-jährigen Abraham will man nur noch ein paar Zahltage rausquetschen.
"Das wäre der Kampf, den doch jeder sehen will", sagte Box-Experte Axel Schulz, "ich will den Fight auf jedem Fall." Für Zeuge wäre es der Fight, mit dem er endgültig aus dem Schatten der alten Garde treten könnte/würde.
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