Boxen: Manuel Charr vs.Alexander Ustinov

Der deutsche Boxer Manuel Charr, der 2015 niedergeschossen worden ist, kämpft gegen den Russen Alexander Ustinov um den Titel. Beide standen in den letzten zwei Jahren kaum im Ring.
von  Matthias Kerber
Augenduell vor dem Kampf: Manuell Charr (r.) und sein russischer Kontrahent Alexander Ustinov.
Augenduell vor dem Kampf: Manuell Charr (r.) und sein russischer Kontrahent Alexander Ustinov. © dpa

Manuel Charr zieht den Pullover hoch, die Bauchmuskeln sind durchtrainiert, so wie nie in der Karriere des Schwergewichtsboxers, der am Samstag (21.30 Uhr/Sky Sport News) gegen den Russen Alexander Ustinov um den vakanten WM-Titel des Verbandes WBA kämpft. Doch der Blick bleibt automatisch an den Narben hängen. Vom Solarplexus bis zum Hosenbund zieht sich die eine, daneben zwei kreisrunde Narben. Es sind Einschusslöcher.

Charr wurde niedergeschossen

Sie sind unauslöschliche Erinnerungen an jenen 2. September 2015. Und Testament, dass der Deutsche Charr überlebt hat. An jenem Abend war Charr, der als Vierjähriger als Kriegsflüchtling aus seiner Heimat Libanon nach Deutschland gekommen war, in einem Döner-Imbiss in Essen von dem Boxer Youssef H. niedergeschossen worden. Es ging um Ehre, um Beleidigungen. Oder, wie es der Vorsitzende Richter am Essener Schwurgericht, Andreas Labentz, beim Prozess im Jahre 2016 beschrieb, einen „an Peinlichkeit nicht zu überbietenden Hahnenkampf“. Nach einer Litanei „unsäglicher Beleidigungen“ (Labentz) schoss Youssef Charr nieder. In einer mehrstündigen Not-OP wurde Charr das Leben gerettet. Youssef sitzt zur Zeit seine fünfjährige Haftstrafe ab.


Foto: Imago

„Ich habe ihm verziehen“, sagt Charr, der sich nun gerne als Gutmensch verkauft, „ich war früher ein schlimmer Finger, aber ich habe mich geändert. Ich habe mich von vielen Menschen getrennt.“ Angeklagt wegen des Verdachts auf versuchten Totschlag mit anschließendem Freispruch, Untersuchungshaft wegen Autoschieberei, Messerstich in den Rücken, so sieht die Vergangenheit von Charr, der unter dem Kampfnamen Diamond Boy firmiert, aus.

WM-Kampf als große Chance

Und die Gegenwart? Der WM-Kampf des Niedergeschossenen gegen Ustinov, der im Tschetschenienkrieg Scharfschütze in der russischen Armee war, ist die große Chance des 33-Jährigen. Dass er sie hat, ist mehr als nur erstaunlich. Vor sechs Monaten hat er zwei neue Hüftgelenke erhalten. „Der Körper ist nur Material der Gedanken. Der Kopf entscheidet über Leben und Tod“, sagt Charr, der seit über einem Jahr nicht geboxt hat. Von seinen letzten sieben Kämpfen hat er drei verloren (gegen Alexander Povetkin, Mairis Briedis und Johann Duhaupas). Auch bei seinem ersten WM-Kampf 2012 gegen Vitali Klitschko war er chancenlos.

„Manuel hat sehr viel Kampfgeist und wenn man so eine WM-Chance bekommt, muss man sie beim Schopfe packen. Man kann sich sicher fragen, warum das ein Kampf um die WM ist, aber das ist nicht Charrs Problem“, sagte Box-Experte Axel Schulz, der selber drei Mal um die WM geboxt (und jeweils verloren) hat, der AZ. Auch der fast 41-jährige Ustinov ist keiner, der eines WM-Kampfes würdig ist. Er ist kämpferisch extrem limitiert, erinnert in seinen Aktionen an den tapsigen Box-Riesen Nikolai Valuev. In den letzten zwei Jahren hat er nur zwei Kämpfe bestritten. Das Duell Charr gegen Ustinov ist ein guter Fight, mit einer legitimen WM hat es nichts zu tun.

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