Box-Legende Maske: "Wladimir ist gereift"

Ex-Weltmeister Henry Maske spricht über Hayes Chancen gegen Klitschko und die Schwächen und Stärken des Weltmeisters
Interview: Matthias Kerber |
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AZ: Herr Maske, eine indiskrete Frage zum Auftakt: Wie viel wiegen Sie zur Zeit?

HENRY MASKE: Ich habe immer noch so ungefähr mein altes Kampfgewicht von 86 Kilo.

Also Cruisergewicht. Jetzt versucht mit David Haye ein Cruisergewichtler den WM-Titel im Schwergewicht zu holen. Sein Gegner ist der 110-Kilo-Koloss Wladimir Klitschko. Bis auf Evander Holyfield und Chris Byrd hat kaum ein Cruisergewichtler diesen Schritt erfolgreich geschafft.

Das stimmt. Wir reden hier von locker 20 Kilo Gewichtsunterschied. Ich habe mir das mal ausgerechnet. Ich wiege auf meine Körpergröße bezogen etwa 450 Gramm pro Zentimeter, die Klitschkos 570 Gramm. Wenn man sich etwa Wladimir anschaut, handelt es sich dabei ja nicht um tote Masse, um Fett. Es gibt nur so wenige Beispiele, die den Sprung nach oben geschafft haben. Holyfield hat das bravourös gemeistert, aber man muss auch sagen: Zu seiner Zeit hat er nicht viele Gegner der Ausmaße von Klitschko boxen müssen. Das muss man realistisch sehen: Wenn zwei Boxer ungefähr das gleiche Niveau haben, wird der mit80 Kilo immer den mit 70 Kilo schlagen.

Hätten Sie es sich zu Ihrer aktiven Zeit zugetraut, gegen die Klitschkos anzutreten?

Zum Glück stellte sich zu meiner Zeit die Frage nicht, daran dachte man gar nicht. Die Klitschkos sind enorm groß. Ich habe es immer gehasst, gegen große Kerle zu boxen. Um an sie heranzukommen, muss man automatisch in ihre Reichweite kommen. Das wird auch Haye blühen. Das kann schmerzhaft werden. Ich erinnere mich genau, als Axel Schulz zu einem echten Schwergewichtler herangewachsen ist, habe ich irgendwann keinen Sinn mehr darin gesehen, mit ihm ständig zu trainieren. Da ist einfach eine ganz andere Wucht dahinter.

Dabei ist Schulz ja nicht gerade als harter Schläger in die Geschichte eingegangen.

Die Autorität, die ein Klitschko in einen Schlag legt, ist sicher nicht mit dem vergleichbar, was Axel leisten konnte. Aber auch das war schon einiges.

Sie geben Haye keine große Chance?

Ich denke, dass er eine Überraschung erleben wird und im Ring auch sehr schnell realisieren wird, dass er sich übernommen hat. Er wird sehr viele Fragezeichen in seinem Hinterkopf haben. Wladimir ist nicht mehr der Kämpfer, der er vor ein paar Jahren war. Er ist zu einer Persönlichkeit gereift. Es wird viel über den lucky punch – den Glücksschlag – geredet. Ich denke, die Zeiten, in denen man Wladimir so treffen konnte, gibt es nicht mehr. Dafür ist er zu stark – auch mental – geworden. Er hat sicher noch Schwächen, aber er hat gelernt, seine Stärken dermaßen zu betonen, dass man die Schwächen nicht ausnützen kann.


Wo sehen Sie Schwächen?

Er wirkt in der Defensive gerade in den ersten Runden zuweilen etwas unsicher. Dadurch sieht er manchmal gar nicht so dominant aus, wie er eigentlich ist. Aber wenn man sich die Kämpfe der Klitschkos zuletzt ansieht, haben sie nicht nur keinen Kampf verloren, sie haben sogar kaum eine Runde abgegeben.

Warum hat sich Haye Wladimir als Gegner ausgesucht hat und nicht Vitali?

Wladimir ist der sportlich wertigere Gegner, er hat drei WM-Gürtel, Vitali nur einen. Er ist sicher auch der Talentiertere. Aber eben auch der vielleicht Sensiblere. Ich denke, dass Haye darin seine Chance sieht. Vitali ist ein Bollwerk, den wirft nichts um. Aber Wladimir ist gereift. Er war nach den Niederlagen gegen Lamon Brewster und Corrie Sanders ganz unten, er war am Boden. Da unten gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder du bleibst liegen, ergibst dich deinem Schicksal oder du stehst wieder auf, erkennst die Fehler, die dich dorthin gebracht haben. Wenn sie das tun, dann werden sie stärker als je. Das hat Wladimir getan. Er hat dabei auch nie den bitteren Geschmack dieser Niederlagen vergessen – sie treiben ihn an, das nie wieder zu erleben.

Können Hayes geschmacklose Provokationen – etwa die Köpfer-Shirts – Klitschko aus seiner Fassung bringen?

Ich denke, sie sind zusätzliche Motivation. Denn jetzt geht es auch um die Familienehre, das setzt Kräfte frei, von denen wir alle vielleicht noch nie was gesehen haben.

Wie haben Sie die Provokationen selber empfunden?

Es gibt Grenzen. Auch und gerade im Sport. Hätte im Tennis nur ein Spieler einen Bruchteil der Dinge gesagt, die Haye abgelassen hat, wäre er ewig gesperrt worden. Warum muss das im Boxen sein? Dieser Sport ist für sich schon so brutal, so hart, da muss man nicht noch versuchen, die Härte des Sports mit Worten zu übertreffen.

Selbst in England haben sich viele Briten gegen Haye gestellt und halten zu Klitschko.

Der Engländer ist nicht nur für seinen skurrilen Humor, sondern auch für das Gentlemanhafte bekannt. Davon hat Haye aber gar nichts. Man stelle sich vor, ein Deutscher hätte solche Sprüche gemacht. Der Aufschrei in der Welt wäre riesig gewesen. Das erste Köpfer-Shirt hat man vielleicht mit einem Achselzucken hinnehmen können, aber dass Haye jetzt zum dritten Mal die gleiche Show abgezogen hat, ist peinlich.

Lennox Lewis sprach davon, dass Haye der Muhammad Ali dieser Box-Ära wäre.

Vielleicht weiß Lewis, der ja selber Schwergewichtler war, mehr als ich. Aber ich bin vorsichtig: Nicht jeder, der eine große Klappe hat, ist ein Ali. Bisher hat Haye nicht gezeigt, dass er es verdient, mit Ali verglichen zu werden. Das was Ali sportlich vollführt hat, ist eine ganze andere Dimension. Aber Haye kann ja am 2. Juli beweisen, ob er wirklich irgendwas von Ali hat. Sollte er verlieren, droht ihm aber der Absturz in die sportliche Bedeutungslosigkeit.

Aber auch Klitschkos Karriere müsste man bei einer Pleite anders bewerten.

Das ist unstrittig.

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